Trotz Corona-Lockerungen - Gastroverband befürchtet Verlust von 10.000 Arbeitsplätzen in Berlin
Die Sperrstunde fällt: In Berlin können Gaststätten und Kneipen wieder rund um die Uhr öffnen. An der schwierigen Situation für die Betriebe ändere das wenig, schätzt der Hotel- und Gaststättenverband. Denn viele leben von Touristen - und die fehlen.
Der Berliner Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) rechnet wegen der Corona-Krise mit dem Verlust Tausender Arbeitsplätze in der Stadt. In der Branche herrsche die blanke Angst, sagte Dehoga-Präsident Christian Andresen am Dienstag bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses.
Allein im April waren die Ankünfte in der Hauptstadt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 95,6 Prozent eingebrochen - und in fast gleicher Größenordnung die Zahl der Übernachtungen: Rund 163.000 Übernachtungen wurden nach Angaben des Statistikamts gezählt. Im Vorjahresmonat waren es mehr als drei Millionen.
Für dieses Jahr werde ein Umsatzrückgang von über 50 Prozent und weit über 10.000 verlorenen Arbeitsplätzen prognostiziert, so der Dehoga-Präsident weiter. Mehr als 80 Prozent der Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe seien noch in Kurzarbeit.
Dehoga fordert weitere staatliche Hilfen
Auch die Aufhebung der Sperrstunde ab Mittwoch helfe vielen Betrieben wenig. "Das ist ein weiterer Schritt für die Gastronomie, mehr Umsatz zu machen, aber man muss ganz ehrlich sagen, nur mit Berlinern", sagte der Berliner Dehoga-Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder.
So könnten Gastronomen, die von der Nachbarschaft leben, Umsatzverluste der vergangenen Monate aufholen. Vielen touristischen Betrieben nütze es hingegen wenig, dass sie wieder öffnen dürften, solange keine Touristen nach Berlin kämen. Deshalb brauche es weiter staatliche Hilfen zur Überbrückung, so der Dehoga-Präsident.
Senat entschied sich zunächst für Öffnung mit Sperrstunde
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wies Kritik von Abgeordneten zurück, dass Berlin dafür bislang kein weiteres Hilfsprogramm anbiete. Sie sagte, der Bund habe ein Programm in Aussicht gestellt und es sei nicht sinnvoll, wenige Tage vorher ein eigenes aufzulegen.
Wegen der Corona-Ausbreitung mussten ab 14. März alle Kneipen, Restaurants und Clubs schließen. Seit dem 15. Mai durften Restaurants wieder bis 22 Uhr öffnen. Auch Kneipen war ab 2. Juni wieder der Betrieb bis 23 Uhr erlaubt. Weil der Senat befürchtete, dass die Menschen sich unvernünftiger verhalten würden, wenn mehr Alkohol getrunken werde, entschied sich der Senat zunächst gegen unbegrenzte Öffnungszeiten.
Gegen die Sperrstunde hatte ein Restaurantbesitzer geklagt. Eine gerichtliche Entscheidung war nicht mehr nötig, da der Senat sich für die Freigabe der Öffnungszeiten entschieden hat.
Klage gegen Sperrstunde verfällt durch Senatsentscheidung
Viele Restaurant- und Kneipenbesitzer kritisierten daraufhin, dass sie so nicht wirtschaftlich arbeiten könnten. Das Trinken verlagerte sich in den letzten Wochen und Tagen dann in vielen Nächten vor die Spätis, die bis in die Nacht geöffnet und Tische und Stühle aufgestellt hatten. Dort saßen dann vor allem junge Menschen dicht beieinander. Geschlossen bleiben weiterhin die Berliner Clubs.
Sendung: Inforadio, 10.06.2020, 6 Uhr