Vorbereitungen auf Gasmangellage - Wie sich Brandenburger Landkreise auf einen harten Winter einstellen
Aus Russland fließt nach der Wartung der Pipeline Nordstream 1 wieder Gas - doch von Entwarnung kann keine Rede sein. Der Winter könnte hart werden, wissen auch die Brandenburger Landkreise - und stellen sich auf die Versorgung ihrer Bevölkerung ein. Von Laura Kingston
Über den Köpfen der Deutschen hängt gerade ein Damoklesschwert - mit einem sehr bürokratischen Namen: Gasmangellage. Also der Zustand, in dem es zu wenig Gas gibt, um die Industrie am Laufen und Häuser warm zu halten.
Bundesnetzagentur: "Es fehlen 60 Prozent"
Zwar fließt seit vergangenem Donnerstag wieder Gas durch die Pipeline Nordstream 1, aber laut dem Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, gibt es noch keine endgültige Entwarnung. In einem Interview mit Tagesschau.de sagte er: "Bei aller Erleichterung, die man vielleicht verspüren mag mit den 40 Prozent: Uns fehlen 60 Prozent, die in den Verträgen der Energieimporteure, in den Kalkulationen der Industrie, für die privaten Haushalte eigentlich vorgesehen waren"
Deswegen ist auch in Berlin und Brandenburg die Diskussion um mögliche Energie-Einsparungen, die während der Wartung der Gaspipeline entbrannte, immer noch aktuell. Wenn es ernst werden und eine sogenannte Gasmangellage eintreten sollte, fällt diese unter den Katastrophenschutz. Der ist Ländersache, wird aber von Kommunen bzw. Landkreisen umgesetzt. Wie gut sind die Landkreise Brandenburgs auf einen Ernstfall eingestellt?
Energiesparmaßnahmen
Von Energiespaßnahmen sprechen auf Anfrage des rbb fast alle der 14 Landkreise und kreisfreien Städte in Brandenburg - so auch die Bezirke in Berlin. Meist bezieht sich dieses Vorhaben auf Schulen, Verwaltungsgebäude, oder aber Schwimmbäder. Etwa in Potsdam, wo sowohl Schwimmbad- als auch Saunatemperaturen schon gesenkt wurden.
Eine Sprecherin der Stadt Brandenburg an der Havel verweist darauf, dass man aufpassen müsse, dass "Kita-Kinder oder andere Nutzer von Gebäuden frieren". Die Kreisverwaltung Oberhavel erwägt ausgeweitete Home-Office-Regelung und Energie in den Verwaltungsgebäuden zu sparen. Alle Maßnahmen seien "aber auch abhängig von der Coronalage im Herbst", so eine Sprecherin.
Maßnahmen für den Fall einer Gasmangellage
Auf die Eventualität einer Gasmangellage blicken die einzelnen Landkreise unterschiedlich - diskutiert wird sie nach rbb|24-Anfrage überall. Die Stadtverwaltung von Brandenburg an der Havel wolle einen Notfallplan erstellen, um ihre "Bürger zu schützen". Dazu berate sich die Verwaltungsleitung wöchentlich und ziehe andere Expert:innen hinzu.
Der Landkreis Teltow-Fläming etwa stellt sich auf mögliche Auswirkungen auf den Strommarkt ein. Man erweitere die Strom-Notfallreserve "für den Betrieb der systemrelevanten Bereiche der Kreisverwaltung von aktuell 24 Stunden auf 70 Stunden".
Daseinsvorsorge mit Wärmeräumen
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat vergangene Woche darauf hingewiesen, dass Kommunen sich in Form von offen zugänglichen Wärmeräumen auf einen Ernstfall vorbereiten sollten. Auf rbb|24-Anfrage sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg, Jens Graf: "Das ist gerade in ländlichen Gebieten in Brandenburg nicht vorstellbar. Wie sollen die Leute denn dahin kommen?"
Dennoch diskutieren einige Landkreise die Einrichtung solcher Wärmeräume: In Teltow-Fläming könnten diese zum Beispiel in Dorfgemeinschaftshäusern eingerichtet werden. Diese erwägt auch Ostprignitz-Ruppin, ebenso wie Turnhallen oder Schulen als Aufwärmpunkte. Und auch der Landkreis Havelland befinde sich gerade in der "Akquise und Überprüfung von kreiseigenen Objekten).
Der Landkreis Märkisch-Oderland hat nach eigener Aussage schon eine Liste mit Wärmeräumen im "nicht öffentlichen Gefahrenabwehrplan" des Kreises zusammengestellt. Diese sollen jeweils mit einem Notstromaggregat versorgt werden.
Die Kreisverwaltung Oberhavel hält diese Maßnahme für eine "Ultima Ratio", also die letzte Maßnahme, wenn gar nichts mehr gehe. Deswegen seien Wärmeräume hier noch nicht in der Diskussion.
Zugriff auf alternative Energiequellen
Auch der Landkreis Elbe-Elster befasst sich mit einem "Worst-Case-Szenario", wobei dort nicht alle Wohngebiete abhängig seien von Gas. Gerade laufe die Ermittlung, inwiefern öffentliche Einrichtungen mit anderen Energiequellen als Gas versorgt werden könnten.
Cottbus greift nach rbb|24-Informationen ebenso auf Gas-Alternativen zurück. Man arbeite dort langfristig "im Zuge der Entwicklung des Cottbuser Ostsees an einer Wärmepumpen-Lösung, mit deren Hilfe weite Teile der Stadt versorgt werden können." Zudem komme "ca. 50 Prozent der Fernwärme für Cottbus aus dem Kraftwerk Jänschwalde" und sei damit weitgehend Gas-unabhängig. Diese Lieferung sei langfristig vertraglich vereinbart.
Barnim: Die zentralen Fragen sind bislang [von Bund und Ländern] nicht beantwortet worden
Mehrere Brandenburger Landkreise bemängelten, dass es zu wenig Weisung von Seiten des Bundes und Landes gebe. So auch die Barnimer Verwaltung: "Um angemessen und zielgerichtet auf eine mögliche Bedrohungslage bundesweiten Ausmaßes reagieren zu können" seien "Führung und Steuerung auf Bundes- und Landesebene erforderlich: Wie ist die Lage? Was ist der konkrete Auftrag? Und wer führt? Die zentralen Fragen, die es für ein effizientes Krisenmanagement zu klären gilt, sind bislang nicht beantwortet worden."
Der Landkreis habe "bis heute keine offizielle Information über eine Gasmangellage".
Oder-Spree: "Katastrophenschutz kann flächendeckend keine Ausfälle kompensieren"
Die Kreisverwaltung des Landkreises Oder-Spree zeigt sich wenig optimistisch, sollte es zu einer Gasmangellage kommen: "Katastrophenschutz kann flächendeckend keine Ausfälle kompensieren", sagte ein Sprecher auf Anfrage von rbb|24. Der Landkreis bekomme derzeit eine verstärkte Anfrage von Institutionen und Einrichtungen, die in einer Mangelsituation auf Unterstützung vom Landkreis hoffen.
Diese angemeldeten Bedarfe zu gewichten, werde eine Aufgabe der kommenden Wochen sein, wobei nach Aussagen des Sprechers abzusehen sei, dass die Kreisverwaltung nicht alles abdecken könne.
Und auch die Kreisverwaltung Havelland gab an, dass die personelle und sächliche Ausstattung des Katastrophenschutzes [...]nicht dafür gewappnet" sei, die gesamte Bevölkerung des Landkreises Havelland in einer vergleichbaren Situation ohne spürbare Einschränkungen zu versorgen. Diese Krise könne "daher nur gesamtgesellschaftlich getragen und gemeinsam unter Mitwirkung der Bevölkerung bewältigt werden. Ein erster Schritt ist es, sehr kritisch die eigenen Energieverbräuche zu hinterfragen und auf das notwendige Maß zu reduzieren."
Sendung: rbb24 Inforadio, 22.07.2022, 17:20 Uhr
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