Absprachen für Berlin sollen bleiben - Vonovia kündigt deutliche Mieterhöhungen an
Auf Millionen Mieter kommen spürbare Mieterhöhungen zu: Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia will die Preise anheben - und verweist auf die derzeit hohe Inflation. In Berlin wolle man sich aber an Verabredungen halten, heißt es.
Millionen deutscher Mieter müssen sich auf stärker steigende Wohnkosten einstellen: Deutschlands größte Immobilienfirma, der Dax-Konzern Vonovia, bezeichnet angesichts der hohen Inflationsraten deutlichere Mieterhöhungen als unausweichlich.
"Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen", sagte der Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch dem "Handelsblatt" (Mittwochsausgabe). Sonst würden viele Vermieter in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. "Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigeht. Das wird nicht klappen", sagte Buch weiter.
Vonovia verweist auf die hohe Inflation
Der Immobilienriese besitzt rund 565.000 Wohnungen, die meisten davon in Deutschland. In Berlin sind es laut Vonovia rund 42.000 Wohnungen.
Die durchschnittliche Miete bei Vonovia erhöhte sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres im bundesweiten Schnitt auf 7,40 Euro pro Quadratmeter - das waren 3,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dies liegt noch deutlich unter der derzeitigen Inflationsrate von knapp acht Prozent (Mai 2022). In Berlin war die Inflationsrate zuletzt sogar auf über acht Prozent gestiegen und liegt damit so hoch wie seit 1992 nicht mehr. Bislang verteuerten sich vor allem Energie- und Lebensmittelpreise.
Die Geschäftsführerin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), bei dem Vonovia Mitglied ist, ging auf Distanz zur angekündigten Erhöhung: Zwar liege die Inflation im April und Mai in der Tat bei gut acht Prozent. "Die Wohnkosten sind im gleichen Zeitraum aber nur um 2,2 Prozent und somit deutlich langsamer gestiegen. Das zeigt den dämpfenden Effekt des Mietrechts", so Maren Kern.
Vonovia will sich an Berlin-Absprachen halten
Eine Vonovia-Sprecherin betonte inzwischen, das Unternehmen halte sich auch weiter an die Zusage für den eigenen Wohnungsbestand in Berlin. Im vergangenen Jahr hatte Vonovia dem Senat versichert, dass Mieten für die nächsten drei Jahre im Durchschnitt nicht mehr als ein Prozent steigen und danach nicht mehr als die Inflation. Zudem könnten bei Härtefällen gemeinsame Lösungen gefunden werden, ergänzte die Sprecherin.
Grundsätzlich gehe es bei den Äußerungen des Konzernchefs um die wirtschaftliche Entwicklung und nicht um eine konkrete Ankündigung. "Wir sprechen hier über wirtschaftliche Zusammenhänge auf dem Wohnungsmarkt", unterstrich die Sprecherin. Stark gestiegene Baupreise etwa würden sich insbesondere im Neubau bemerkbar machen.
Dass steigende Bau- und Energiepreise die Wohnungsunternehmen belasten, bestätigte Carsten-Michael Röding, Technischer Vorstand der Charlottenburger Baugenossenschaft. "Wir bekommen inzwischen täglich Anpassungsbedarfe der Handwerker", sagte Röding dem rbb. Die Entwicklung der Mieten an die Inflation zu koppeln lehnt Röding allerdings ab. "Diesen Automatismus sehe ich nicht." Preissteigernd seien seiner Ansicht nach auch andere Faktoren, etwa Umwelt- und Klimaschutzauflagen.
Kipping fordert bundesweiten Mietendeckel
In der Ankündigung des Immobilienkonzerns Vonovia, inflationsbedingt die Mieten erhöhen zu müssen, sieht Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) einen Weckruf an die Bundesregierung. Der Bund müsse jetzt dafür sorgen, dass der Mietendeckel bundesweit eingeführt wird, sagte Kipping dem rbb am Mittwochabend.
Das Berliner Modell sei nur gescheitert, weil das Bundesverfassungsgericht das Land Berlin nicht zuständig sah, sondern den Bund, so Kipping. Der Mietendeckel an sich sei nicht verfassungswidrig. Die Vonovia zeige mit ihrer Ankündigung, dass die 59 Prozent, die beim Berliner Volksentscheid für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen stimmten, gute Gründe dafür hatten, so Kipping weiter.
Auch der wohnungspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion, Niklas Schenker, kritsierte die Ankündigung für Mieterhöhungen. Das sei "eine Kampfansage" an die Mieter in Berlin und "torpediert das Wohnungsbündnis", das der Senat gegründet hat.
Das Bündnis, das auf Initiative der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey gegründet wurde, soll Wege finden, den Wohnungsneubau anzukurbeln und das Ansteigen der Mieten einzudämmen. Im Gespräch sind dabei auch Vereinbarungen mit der privaten Wohnungswirtschaft. "Die Zweifel, dass man keine freiwilligen Selbstverpflichtungen mit Konzernen wie Vonovia schließen kann, verdichten sich jetzt", sagte Schenker dem rbb.
"Ein Schlag ins Gesicht"
Auch von den Berliner Grünen kam scharfe Kritik. "Die Ankündigung von Vonovia die Preise zu erhöhen ist für die Mieterinnen und Mieter ein Schlag ins Gesicht", teilten die Landesvorsitzenden Susanne Mertens und Philmon Ghirmai mit. Schon von den gestiegenen Energiepreisen seien aktuell sehr viele Menschen betroffen: "Viele werden sich das nicht mehr leisten können."
Vonovia habe in den letzten beiden Jahren hohe Milliardengewinne erwirtschaftet. Die Inflation wirke vor diesem Hintergrund wie ein vorgeschobenes Argument, sagten die Landesvorsitzenden. Mieterhöhungen zur etwaigen Steigerung der Gewinnausschüttung seien in der Krise unsolidarisch: "Statt die Mieterinnen und Mieter für noch höhere Gewinne zu schröpfen, sollte Vonovia Maß und Mitte wahren."
Mieterbund reagiert mit deutlicher Kritik
Der Deutsche Mieterbund (DMB) zeigt sich ebenfalls entsetzt über die Äußerungen des Vonovia-Vorsitzenden Buch. "Dass Mieterinnen und Mieter für den eingebrochenen Aktienkurs von Vonovia und höhere Zinsen am Kapitalmarkt herhalten müssen, zeigt, dass die Geschäftsmodelle börsennotierter Wohnungskonzerne unsozial und spekulativ sind", sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, am Mittwoch in Berlin.
Siebenkotten erinnerte daran, dass Vonovia nach der Übernahme des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen für 19 Milliarden Euro im Oktober vergangenen Jahres verkündet habe, die Bestandsmieten sollten um maximal ein Prozent pro Jahr steigen. "Jetzt zeigt sich, dass Politik und Kartellamt am Nasenring durch die Manege gezogen wurden", kritisierte der Mieterschützer.
Sendung: rbb24 Inforadio, 1. Juni 2022, 13 Uhr
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