Energiekrise - Was der steigende Gaspreis eine Berliner Familie kostet

Sa 12.03.22 | 09:58 Uhr | Von Franziska Ritter und Götz Gringmuth-Dallmer
Symbolbild: Die Flamme eins Gasherdes (Bild: dpa/Moritz Vennemann)
Bild: dpa/Moritz Vennemann

Wer als Haushalt bei der Gasag in Berlin sein Gas bezieht, muss ab Mai deutlich mehr Geld für die Heizung ausgeben. Etwa 400.000 Haushalte sind von den angekündigten Preiserhöhungen betroffen. Was tun, wenn die Haushaltskasse nicht ausreicht? Von F. Ritter und G. Gringmuth-Dallmer

Kunden der Gasag müssen sich auf weitere Preissteigerungen einstellen: Ab Mai zahlen sie im Schnitt 26 Prozent mehr für Gas, kündigte der Grundversorger an. Zum Jahreswechsel hatte die Gasag ihre Preise bereits um 16 Prozent nach oben geschraubt. "Die erneuten Steigerungen der Energiepreise werden viele Verbraucherinnen und Verbraucher hart treffen“, räumt das Unternehmen in einer Mitteilung ein.

"Das macht mir echt Sorgen"

Anna Richter und ihre Familie gehören zu den stadtweit 400.000 Haushalten, die davon betroffen sind. Sie wohnen in einem Treptower Altbau mit hohen Decken und Gastherme. Ab Mai erhöht sich der Arbeitspreis in ihrem Gasag-Tarif um 2,44 Cent auf nunmehr 10,45 Cent pro Kilowattstunde. Unterm Strich kostet das die Familie 35 Euro pro Monat zusätzlich.

"Das macht mir echt Sorgen", sagt die Freiberuflerin. "Unser Gasverbrauch ist enorm hoch und ich weiß nicht, was wir daran ändern sollen." Heizung und Warmwasser der Drei-Zimmer-Wohnung laufen über eine Gastherme, die in die Jahre gekommen ist. Die Familie hat bei ihrem Vermieter bereits auf den Austausch der Anlage gedrängt, doch bisher regt sich die Hausverwaltung nicht.

Kosten seit 2020 um 59 Prozent und mehr gestiegen

Eine Datenauswertung von rbb|24 zeigt, wie stark die Kosten für Gasag-Kunden seit 2020 gestiegen sind. Um verschiedene Wohnungsgrößen miteinander vergleichen zu können, haben wir die Kosten für mehrere Verbrauchswerte aufgeschlüsselt. Mieter, die ausschließlich mit Gas heizen, kommen pro Quadratmeter auf rund 140 Kilowattstunden im Jahr – an diesem Richtwert orientiert sich die Rechnung.

Wer Gas auch zum Kochen oder für sein Warmwasser nutzt, verbraucht tendenziell mehr. Darüber hinaus hängt der individuelle Verbrauch von Faktoren wie der Dämmung der Wohnung, dem technischen Zustand der Gastherme und der Temperatur ab, auf die Räume geheizt werden.

Die Preissteigerungen sind enorm: Gasag-Kunden, die in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung leben und im Schnitt 7.000 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, haben bis 31.12.2020 noch 46,10 Euro pro Monat für ihre Gasrechnung gezahlt. Ab Mai dieses Jahres kostet sie die gleiche Menge an Gas 73,20 Euro – das sind 59 Prozent mehr.

Je höher der Verbrauch, desto kräftiger schlägt der gestiegene Arbeitspreis zu Buche: Haushalte mit einem Gasverbrauch von 16.800 Kilowattstunden, wie sie im Schnitt für eine 120 Quadratmeter große Wohnung anfallen, haben 2020 noch einen Monatsabschlag von 97,10 Euro gezahlt. Ab Mai verlangt die Gasag von ihnen 161,80 Euro – ein Plus von 67 Prozent.

Wenn das Geld nicht mehr reicht

Nicht nur die Gasag, auch andere Versorger drehen an der Preisschraube. Seit der russischen Invasion der Ukraine müssen sie sich kurzfristige Energielieferungen an den globalen Märkten zu historischen Großhandelspreisen beschaffen. Einige Billiganbieter haben ihre Energielieferungen deshalb eingestellt, andere nehmen keine neuen Kunden mehr an. Für Verbraucher wird es also immer schwerer, günstige Alternativen zum Grundversorger zu finden.

Was also tun, wenn das Geld nicht mehr reicht, um die Energierechnung zu bezahlen? Elisabeth Grauel leitet bei der Verbraucherzentrale Berlin die Energieschuldenberatung und rät Betroffenen, als erstes mit ihrem Versorger in Verbindung zu treten. "Dann weiß er, dass Sie sich des Problems bewusst sind und kann von einem Mahnverfahren absehen", sagt sie. Im nächsten Schritt empfiehlt sie, sich an die Energieschuldenberatung der Verbraucherzentralen oder bezirkliche Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen zu wenden. "Ansonsten ist es eine Frage der Kulanz der Energieversorger, inwieweit Ratenzahlungen möglich sind", so Elisabeth Grauel.

Gasag bietet Ratenzahlungen oder Stundungen an

Berlins Grundversorger Gasag beteuert, Kunden, die angesichts der gestiegenen Preise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, unterstützen zu wollen. "Ratenzahlungen oder vorübergehende Stundungen können vereinbart werden", heißt es von dem Unternehmen. Auf Wunsch tausche sich der Kundenservice direkt mit Jobcentern und Bezirksämtern aus, um staatliche Unterstützungsmöglichen für Betroffene zu sichern.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen mahnt: Haushalten, die wegen der enorm gestiegenen Energiepreise ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können, dürfe das Gas nicht abgedreht werden. "Wir fordern ein Moratorium für Strom- und Gassperren", sagt Thomas Engelke vom VZBV.

Liegen Energiekunden mit ihren Zahlungen mit 100 Euro oder mehr im Verzug, kann der Versorger ein sogenanntes Energiesperrverfahren einleiten. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Wirtschaft hat die Gasag im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Berliner Haushalten eine Gassperre angekündigt.

Energieberatung nutzen

Anna Richter und ihre Familie hatten bislang keine Probleme ihre Gasrechnung zu begleichen, doch die Treptower werden die gestiegenen Preise empfindlich zu spüren bekommen. Um Heizkosten und Strom zu sparen, haben sie eine Energieberatung der Verbraucherzentrale in Anspruch genommen. Dabei bestätigte sich, dass die Gastherme der Wohnung dringend ausgetauscht werden muss.

Auch Wohnungstür und Fenster sind undicht; Heizkörpernischen, Fensterstürze und Rollladenkästen nicht ausreichend gedämmt. Mit dem Schreiben der Verbraucherzentrale in der Hand will die Familie noch einmal Druck bei ihrer Hausverwaltung machen. "Das hat einen ganz anderen Stellenwert, als wenn ich sage, ich glaube unsere Therme geht nicht mehr", gibt sich Anna Richter hoffnungsvoll. Im Zweifel will sie sich Unterstützung von einem Mieterverein holen.

Wohngeld beantragen

Die Verbraucherzentrale Berlin rät Familien und Senioren, die knapp bei Kasse sind, außerdem zu prüfen, ob sie Anspruch auf Wohngeld haben. Im Februar erst hat sich das Bundeskabinett darauf geeinigt, Wohngeldempfängern wegen der gestiegenen Energiepreise einen Heizkostenzuschuss zu gewähren. Singles sollen im Sommer einmalig 135 Euro bekommen, Paare 175 Euro, jede weitere im Haushalt lebende Person 35 Euro.

"Der Heizkostenzuschuss ist viel zu gering, ohne Zweifel, aber man bekommt ihn", sagt Elisabeth Grauel von der Energieschuldenberatung der Verbraucherzentrale Berlin. "Deshalb empfehlen wir Menschen mit niedrigem Einkommen zumindest diesen Wohngeldantrag zu stellen, um dann zu schauen, ob sie Anspruch haben." Auch wer BAföG oder Bundesausbildungsbeihilfe bezieht, soll automatisch einen Heizkostenzuschuss von 115 Euro bekommen.

Sendung: Inforadio, 12.03.2022, 12:15 Uhr

Beitrag von Franziska Ritter und Götz Gringmuth-Dallmer

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