Flüssiggas sofort notwendig - Leopoldina hält kurzfristigen Lieferstopp von russischem Gas für handhabbar

Di 08.03.22 | 15:04 Uhr
Blick auf Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream. (Quelle: dpa/Stefan Sauer)
Bild: dpa/Stefan Sauer

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält einen kurzfristiger Ausfall für verkraftbar, solange Sofortmaßnahmen eingeleitet werden - etwa durch den Kauf von Flüssiggas. Klar wendet sich die Akademie gegen ein Abrücken vom Kohleausstieg.

Ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas wäre aus Sicht von Wissenschaftlern für die deutsche Volkswirtschaft handhabbar. "Engpässe könnten sich im kommenden Winter ergeben", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle.

Es bestünde jedoch die Möglichkeit, durch die unmittelbare Umsetzung eines Maßnahmenpakets die negativen Auswirkungen zu begrenzen und soziale Auswirkungen abzufedern.

Leopoldina: Beschaffung von Flüssiggas sofort notwendig

Als Sofortmaßnahme wird etwa die Beschaffung von Flüssiggas (LNG) auf dem Weltmarkt durch die EU empfohlen. Zu einem Ersatz von Erdgas könne auch eine stärkere Kohleverstromung beitragen. Gasspeicher müssten aufgefüllt werden. Belastungen der Bürgerinnen und Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen bei höheren Energiepreisen sollten sozial abgefedert, Unternehmen von Energiesteuern entlastet werden, heißt es weiter.

Mittelfristige Maßnahmen sind laut Papier zum Beispiel die Beschaffung einer "robusten Reserve" an Energieträgern und der Ausbau von LNG-Anlande-Kapazitäten - die Bundesregierung hatte vor kurzen bekanntgegeben, sich über die staatliche Förderbank KfW an einem geplanten LNG-Terminal im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel zu beteiligen. Bisher gibt es kein solches Terminal in Deutschland.

Langfristig muss Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden

Zu langfristigen Maßnahmen heißt es in der Leopoldina-Stellungnahme, die Transformation zur Klimaneutralität sollte beschleunigt werden - vor allem durch Ausbau der erneuerbaren Energien, dem Infrastrukturausbau insbesondere für den Umschlag von Wasserstoff sowie von Wasserstoffimporten.

Weiter hieß es, die Bundesregierung habe bereits erste weitreichende Entscheidungen auf den Weg gebracht, wie zum Beispiel den Zukauf von Gas für 1,5 Milliarden Euro oder eine geplante Regelung zum Befüllen der Gasspeicher. Wichtig in der aktuellen Situation sei es auch, den geplanten Kohleausstieg 2030 nicht in Frage zu stellen. Er helfe dabei, von russischen Kohleimporten, die 50 Prozent der deutschen Kohleimporte ausmachen, unabhängig zu werden.

Wegen des Ukraine-Kriegs hatte Bundeskanzler Scholz in einer Regierungserklärung den beschleunigten Bau von zwei LNG-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven angekündigt. Als Standort im Gespräch ist auch ein Terminal in Stade.

Europaweit gibt es aktuell 37 LNG-Terminals, 26 davon liegen in Mitgliedstaaten der EU.

Woidke hingegen sieht keine Chance für vorzeitigen Kohleausstieg

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stellte zuletzt wegen des Kriegs in der Ukraine den Kohleausstieg in Deutschland bis 2030 infrage. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von russischem Gas sei ein Problem. Es mache Deutschland "ein Stück weit erpressbar", sagte Woidke zu Beginn des Kriegs.

Anfang März verlieh er im rbb seiner Aussage Nachdruck. Er wies darauf hin, dass die Regierungskoalition im Bund beim Ausstiegsdatum von "idealerweise" gesprochen habe. "Die ideale Welt, die es dazu braucht, ist spätestens mit dem russischen Angriff verschwunden", so der Ministerpräsident im Interview auf Radioeins.

Sendung: Inforadio, 08.03.2022, 14:40 Uhr

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