Hertha-Verteidiger Marc Oliver Kempf - Die Emotionen fest im Griff

Mo 07.11.22 | 13:04 Uhr | Von Jonas Bürgener
Marc Oliver Kempf vor einem Spiel von Hertha BSC. Quelle: imago images/Contrast
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Video: rbb24 | 07.11.2022 | Sebastian Meyer | Bild: imago images/Contrast

Marc Oliver Kempf ist seit Januar bei Hertha BSC. In seine Eingewöhnungsphase fielen der Abstiegskampf und die Relegation. Mittlerweile hat er sich bei den Blau-Weißen eingelebt - und ist eine feste Säule in Sandro Schwarz' Mannschaft. Von Jonas Bürgener

Grauer Kapuzenpullover, lässige schwarze Hose, auffällig gemusterte Sneaker. Mit seinem Outfit könnte Marc Oliver Kempf auch in einem hippen Berliner Café arbeiten, doch der 27-Jährige ist seit Januar Verteidiger bei Hertha BSC.

Seitdem ist viel passiert. Drei Trainer hat er bei den Blau-Weißen schon erlebt, hat mit Hertha in der Relegation den Klassenerhalt gerettet und ist vor wenigen Tagen zum zweiten Mal Vater geworden. Nach Herthas Auswärtsspiel bei Werder Bremen Ende Oktober hatte es Kempf plötzlich ganz eilig.

Verlängerung nach Auswärtsspiel in Bremen

"Das hat vom Timing aber gut gepasst", sagt Kempf. "Ich bin aus Bremen nach Hause gekommen, konnte noch kurz was essen und dann kam meine Frau 20 Minuten später runter und hat gesagt, dass wir los müssen", sagt der Innenverteidiger, der vom VfB Stuttgart an die Spree wechselte, mit einem Schmunzeln.

Kurze Nächte sind mit einem Zweijährigen und einem Neugeborenen bei Marc Oliver Kempf also jetzt erst einmal Alltag. Davon möchte er sich auf dem Fußballplatz aber nicht beeinträchtigen lassen. Kempf stand in allen 13 Bundesliga-Spiele in dieser Saison für Hertha auf dem Rasen, nur einmal nicht über die vollen 90 Minuten. Gemeinsam mit Agustin Rogel bildet Kempf, der von der U16 bis zur U21 auch für Deutschlands Auswahlmannschaften spielte, Herthas Innenverteidigung. Doch der bullige Verteidiger hat nicht nur Fußball im Kopf.

"Deutsches Multikulti"

Insbesondere seine Familie ist Kempf wichtig. Durch sein Karriere als Fußballer ist diese bunt zusammen gemischt. "Meine Frau kommt aus NRW, ich aus Hessen, mein Großer aus Baden-Württemberg und der Kleine aus Berlin. Deutsches Multikulti also", sagt Kempf lachend. In Hessen startete er mit dem Fußball und wechselte 2007 in die Jugend von Eintracht Frankfurt. Schon als 17-Jähriger absolvierte er für die Adler sein erstes Profispiel.

Richtig durchsetzen konnte er sich bei der Eintracht aber nicht, wechselte deshalb 2014 ins Breisgau zum SC Freiburg. In vier Jahren stand er 73 Mal für das Team von Christian Streich auf dem Platz - sein Durchbruch. Dennoch zog er weiter und unterschrieb einen Vertrag beim VfB Stuttgart. Bei den Schwaben blieb er ebenfalls vier Jahre, ehe er im Winter nach Berlin zur Hertha wechselte. Eine anspruchsvolle Aufgabe: Eine neue Stadt und ein orientierungsloser Klub im Abstiegskampf.

Hertha fehlen die Punkte

Kempf hat in den ersten Monaten mit der neuen Situation zu kämpfen und weiß jetzt, wie schnell es im Fußball brenzlig werden kann. "Man hat immer im Hinterkopf, dass es ganz schnell gehen kann und man unten festsitzt", sagt er. "Deswegen ist das Gefühl im Vergleich zum letzten Jahr auch noch nicht hundertprozentig verbessert", gibt Kempf zu.

Zwar spielen die Berliner in dieser Saison attraktiveren Fußball und die Stimmung im Verein ist deutlich besser, doch die Punkte fehlen weiterhin und Hertha findet sich kurz vor der WM-Pause erneut im Bundesliga-Tabellenkeller wieder. "Dann ist es am Ende auch scheißegal, wie man gespielt hat", sagt Kempf direkt und ehrlich. "Wenn man am Ende nicht genug Punkte hat, steigt man trotzdem ab, egal, ob man 35 Spiele überragend gespielt hat."

Zusammenarbeit mit Sportpsychologe

Kempf denkt nach, hinterfragt und hat sich dafür Hilfe von einem Sportpsychologen gesucht. Dabei geht es weniger um die Mannschaft, den Abstiegskampf oder Einflüsse von außen, sondern vielmehr um Kempf persönlich und den eigenen Auftritt. "Früher war es eher so, dass ich, wenn es nicht so lief oder mich jemand umgetreten hat, gedacht habe: Okay, gleich bekommt er einen zurück", erinnert sich Kempf. "Ich brauchte dann immer fünf bis zehn Minuten, um mich zu fangen. Ich habe gemerkt, dass das unglaublich viel Kraft kostet und man sein eigenes Spiel kaputt macht."

Das ist jetzt anders, auch dank der Hilfe des Sportpsychologen. "Genau das war Thema bei der Zusammenarbeit: sich nicht zu sehr von den Emotionen lenken zu lassen. Klar muss man sie rauslassen, aber dann auch schnell wieder den Anschluss ans Rationale finden", erklärt er. Und das gelingt dem Innenverteidiger, der trotz intensiver Zweikampfführung auffällig wenig gelbe Karten sammelt.

Kempf ist nicht nur als Familienvater gereift, sondern auch als Profi. Früher hatte er immer wieder mit kleinen Verletzungen zu kämpfen, in dieser Saison ist er eine feste Säule in der Mannschaft von Sandro Schwarz.

Marc Oliver Kempf ist bei Hertha angekommen. Für ihn geht es nun darum, auch Punkte mit seiner Mannschaft zu sammeln. Am liebsten möchte er damit gleich im Spiel bei seinem Ex-Klub VfB Stuttgart am Dienstag (20:30 Uhr) beginnen.

Sendung: rbb24, 07.11.22, 18:00 Uhr

Beitrag von Jonas Bürgener

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