Nach Landtagswahl - Brandenburger CDU will mit SPD und Grünen sondieren
Nur einen Tag nach der Landtagswahl sind erste Sondierungen beschlossen worden. Am Montagabend zeigte sich der CDU-Vorstand offen für Gespräche mit SPD und Grünen. CDU-Chef Senftleben soll die Gespräche führen. Die Linken sind zunächst außen vor.
Die Brandenburger CDU hat am Tag nach der Landtagswahl das Sondierungsangebot der SPD angenommen. Wie der rbb aus Kreisen des CDU-Vorstandes erfuhr, sollen die Gespräche von Parteichef Ingo Senftleben und fünf weiteren CDU-Politikern geführt werden. Der entsprechende Beschluss wurde demnach mit 25 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und einer Gegenstimme gefasst.
Das erste Treffen mit der SPD und deren Parteichef, Ministerpräsident Dietmar Woidke, soll am Donnerstag stattfinden. Bereits am Mittwoch will sich die CDU mit Vertretern von Bündnis90/Die Grünen treffen. Auch mit den BVB/Freien Wählern sind demnach Sondierungsgespräche denkbar. Gespräche mit den Linken dagegen hat die CDU nach rbb-Informationen ausgeschlossen.
Erstes Signal für mögliche "Kenia"-Koalition
Zuvor hatte der CDU-Vorstand am Montagabend in Potsdam rund vier Stunden getagt und das schlechte Abschneiden bei der Landtagswahl analysiert. Bei der Wahl am Sonntag war die CDU nur auf 15,6 Prozent gekommen - das schlechteste Ergebnis, das die Christdemokraten in Deutschland seit 1959 auf Landesebene eingefahren hatten. Nach parteiinterner Kritik ging es daher auch um die Frage, ob Senftleben ein Sondierungsmandat des Vorstandes erhalten würde.
Vor diesem Hintergrund kann der fast einstimmige Vorstandsbeschluss als Vertrauensbeweis für den CDU-Chef angesehen werden. Zudem könnte der CDU-Beschluss ein erstes Signal für eine mögliche rot-schwarz-grüne "Kenia"-Koalition von SPD, CDU und Grünen sein.
An den Sondierungsgesprächen sollen neben Senftleben Generalsekretär Steeven Bretz, der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen, die Landtagsabgeordneten Björn Lakenmacher und Jan Redmann sowie Kerstin Hoppe, Beisitzerin im CDU-Vorstand, teilnehmen.
Woidke war auf die CDU zugegangen
Ministerpräsident Woidke hatte zuvor angekündigt, noch in dieser Woche Gespräche über die Bildung einer neuen Landesregierung aufzunehmen - und dabei auch die CDU ins Spiel gebracht. "Es kommt darauf an, dass eine Koalition eine gewisse Vertrauensbasis hat und dass man weiß, dass wenn's drauf ankommt, diese Koalition auch steht", sagte der SPD-Landeschef am Montag nach einer Sitzung der Landesspitze in Potsdam.
"Wir werden beginnen mit der größten Partei, die in Frage kommt, das ist die CDU", sagte Woidke dem rbb. Es werde aber auch Gespräche mit den anderen Parteien geben, am Ende müsse eine stabile Regierung stehen. Dafür, so Woidke, "wird es eine Dreierkonstellation geben müssen".
Die SPD kommt auf 25 Sitze im neuen Landtag, die CDU auf 15, Linke und Grüne jeweils auf zehn, BVB/Freie Wähler auf fünf. Mit knapper Mehrheit könnte Woidke künftig mit einer rot-grün-roten Koalition regieren. Auch ein Bündnis mit CDU und den Freien Wählern oder mit CDU und Grünen wäre möglich. Möglich wäre auch in rot-schwarz-rotes Bündnis. Nur Gespräche mit der AfD hat die SPD ausgeschlossen. Die Rechtspopulisten werden 23 Mandate im neuen Landtag haben.
Rücktrittsforderungen gegen CDU-Spitzenkandidaten
CDU-Spitzenkandidat Senftleben hatte das Debakel seiner Partei mit dem Wunsch vieler Brandenburger erklärt, die AfD als stärkste Kraft verhindern zu wollen. Viele Wähler hätten sich daher doch entschieden, die SPD zu wählen, sagte Senftleben am Montag dem rbb. Darunter gelitten habe nicht nur die CDU, sondern auch Grüne und Linke, so Senftleben.
Direkt nach der Wahl sah sich Senftleben bereits ersten Rücktrittsforderungen ausgesetzt. "Wer solch ein Ergebnis eingefahren hat, kann nicht Vorsitzender bleiben", sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Frank Bommert der Nachrichtenagentur dpa. "Senftleben muss nun die komplette Verantwortung übernehmen", sagte er. Er sei enttäuscht, dass sich der Spitzenkandidat am Wahlabend dazu nicht eindeutig geäußert habe.
"Dinge gemeinsam anpacken"
Senftleben hatte die Rücktrittsforderungen zurückgewiesen. Er wolle "Inhalte umsetzen, für die wir im Wahlkampf geworben haben", sagte Senftleben im rbb-Inforadio. Es gehe nun um die Frage, "ob wir das Land hier mitgestalten können". Trotz des schlechten Ergebnisses wolle man Brücken bauen und Themen setzen. "Ich bin ein Freund von Taten", so Senftleben. Mit Ministerpräsident Woidke habe er sich noch am Wahlabend ausgetauscht. Auf die Frage nach Koalitionsverhandlungen sagte Senftleben: "Wenn es um Inhalte geht und wir uns da verständigen können, dann werden wir diese Dinge auch gemeinsam anpacken."
Einer Zusammenarbeit mit der AfD erteilte Senftleben im Inforadio erneut eine Absage: "Ich habe immer gesagt, wir streben keine Regierung mit linken oder rechten Parteien an, das galt vor dem 1. [September] und das gilt auch heute." Im Phoenix-Interview wiederum sagte er, die AfD-Wähler dürften nicht verteufelt werden. Er forderte seine Partei vielmehr dazu auf, Brücken zu ihnen zu bauen.
Bommert lehnt Senftleben als Verhandlungsführer ab
Bommert hatte Senftleben wiederholt öffentlich wegen dessen Aussage kritisiert, eine Koalition mit der Linkspartei im Notfall nicht auszuschließen. Der Spitzenkandidat habe es trotz erheblichen Widerstandes nicht unterlassen, der Linkspartei ein Angebot zu unterbreiten, sagte Bommert. "Damit werden wir zerrieben. Man kann nicht im Vorfeld sagen, mit wem man koalieren will und wem nicht." Mit Blick auf die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen sagte Bommert, dass Senftleben diese nicht führen könne, da er von vornherein ausgeschlossen habe, mit SPD-Chef Woidke zu sprechen.
CDU-Generalsekretär Steeven Bretz war am Mittag merklich bemüht, die Wogen zu glätten. Der "Qualm des Wahlkampfes" müsse sich jetzt legen, alle Beteiligten sollten nun die Ruhe bewahren. "Wir stehen für Gespräche zur Verfügung", sagte Bretz. Wichtig sei, dass die CDU-Mitglieder am Ende über eine mögliche Koalition mit der SPD entscheiden sollen.
Linke lässt Wunsch auf Regierungsbeteiligung offen
Die Linke in Brandenburg lässt derweil noch offen, ob sie weiterhin Regierungsverantwortung übernehmen will. Im Inforadio des rbb sagte die Spitzenkandidatin Kathrin Dannenberg, sie wolle zunächst die Sondierungsgespräche abwarten. Nach zehn Jahren in der Regierung müsse die Partei nun zunächst analysieren, "was haben wir gut gemacht, was müssen wir besser machen". Den Status als "Kümmerer-Partei" habe die Linke verloren, so Dannenberg. Die Menschen stünden heute vor großen Herausforderungen, vor allem dem Klimawandel und dem Umbruch in der Lausitz. "Da haben wir nicht mithalten können, haben zu spät die richtigen Entscheidungen in Regierungsverantwortung getroffen."
Die Linke wolle sich jetzt wieder stärker auf ihre Kernziele konzentrieren. "Ob in Regierungsverantwortung oder Opposition wird sich zeigen." Stefan Wollenberg, Landesgeschäftsführer der Linkspartei, sagte am Mittag in Potsdam: "Der Ball liegt im Feld der SPD."
AfD: Noch aktiver in den Landtag einbringen
Bei der Brandenburger AfD herrscht nach ihrem guten Abschneiden nach wie vor Freude und Aufbruchsstimmung. Als zweitstärkste Fraktion im neuen Landtag (23,5 Prozent) will sich die Partei noch aktiver einbringen. Die stellvertretende Landeschefin Birgit Bessin sagte am Montagmorgen dem rbb, man habe jetzt andere Möglichkeiten, die künftige Landesregierung unter Druck zu setzen.
"Wir konnten in der abgelaufenen Legislaturperiode auch mit deutlich weniger Abgeordneten den ein oder anderen Punkt setzen. Durch den deutlichen Zuwachs haben wir jetzt bessere Möglichkeiten anzugreifen und unsere Anträge darzustellen", so Bessin im rbb-Inforadio. Vor allem die Themen Innere Sicherheit, Bildung, ländliche Räume müssten laut AfD besser aktiviert werden. Außerdem will die Partei stärker gegen Linksextremismus in Brandenburg vorgehen.
AfD-Chef Alexander Gauland sieht den Kurs seiner Partei bestätigt: "Ich wüsste nicht, was wir anders machen sollten - wir sind auf der Erfolgsstraße", sagte Gauland am Montag im ARD-Morgenmagazin. Er machte zugleich deutlich, dass die AfD auf Dauer Verantwortung übernehmen müsse. "Mit Protest beginnt es, dann müssen Inhalte produziert werden", sagte Gauland. Die AfD sei jetzt gewählt worden, "weil die Anderen in wichtigen Fragen völlig versagt haben". In Brandenburg ist die AfD nach der Wahl vom Sonntag nach den Worten Gaulands "die bürgerliche Oppositionspartei". Die CDU sei dort praktisch marginalisiert. In Sachsen erwartet Gauland, dass die CDU früher oder später doch auf die AfD für Koalitionsgespräche zukommt.
Grüne wollen in eine Regierungskoalition
Die Grünen wiederum meldeten ihre Bereitschaft an, in Brandenburg mitzuregieren. Ihre Spitzenkandidatin und Fraktionschefin, Ursula Nonnemacher, sagte am Montagmorgen im rbb: "Wir sind bereit zu regieren, aber es muss eine Koalition der Erneuerung und auch des Aufbruchs sein. Es kann kein 'Weiter so' geben." Die Grünen wollten maximal Inhalte durchsetzen. In Sondierungsgesprächen müsse die Partei herausfinden, mit wem das möglich sei, so Nonnemacher.
Die Bundes-Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sagte mit Blick auf die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen: "Wir wollen diese Bundesländer erneuern, beim Klimaschutz, auch bei der Stärkung der ländlichen Regionen mit Bus und Bahn, mit Ärzteversorgung." Hier müsse jetzt geliefert werden. "Das werden wir in Gesprächen sehr, sehr deutlich machen."
Die Grünen könnten sich an einer möglichen rot-rot-grünen Regierung sowie an einer Koalition aus SPD, CDU und Grünen beteiligen. Sie erhielten bei der Brandenburger Landtagswahl nach vorläufigen Ergebnissen 10,8 Prozent der Stimmen.