Erstes grünes Direktmandat in Brandenburg - Marie Schäffer: "Der Kohleausstieg ist eine rote Linie"
Die 28 Jahre alte Marie Schäffer hat bei der Landtagswahl den Wahlkreis Potsdam I gewonnen und damit SPD-Kandidatin Klara Geywitz um ihren Landtagssitz gebracht. Es ist das erste grüne Direktmandat in Brandenburg. Von Lisa Steger
Mit 144 Stimmen Vorsprung hat die junge Grünen-Politikerin Marie Schäffer den Wahlkreis Potsdam I gewonnen - vor SPD-Bewerberin Klara Geywitz. Schäffer erhielt 27 Prozent der Erststimmen, Geywitz 26,7 Prozent. Die Grünenpolitikerin hängte auch Isabell Vandre von den Linken auf Platz drei und CDU-Kandidat Clemens Viehrig auf Platz vier ab.
Klima und Verkehr als Schwerpunktthemen
Erstmals waren bei dieser Landtagswahl auch schon 16-Jährige stimmberechtigt; bei ihnen kam Marie Schäffer, die auch "Fridays for Future"-Demonstrationen besuchte, gut an, wie sie glaubt. "Mit dieser Wählergruppe müssen wir auch weiterhin in Kontakt bleiben", sagte Schäffer dem rbb.
Im Landtag will sie sich für bezahlbare Mieten und den öffentlichen Nahverkehr einsetzen, ein "Mega-Thema", denn "wir haben so ein krasses Stauproblem hier in der Potsdamer Innenstadt".
Die 28-jährige Marie Schäffer wurde in Niedersachsen geboren und kam 2010 zum Studium nach Potsdam. Am Hasso-Plattner-Institut erwarb sie einen Master in "IT Systems Engineering" und arbeitet nun als Informatikerin für die Landesbeauftragte für Datenschutz. Seit zehn Jahren engagiert sie sich für die Grünen, seit Mai gehört sie der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung an. Mit klassischem Haustürwahlkampf warb sie in Potsdam für ihre Partei - im direkten Gespräch mit den Wählern.
Kohleausstieg 2038 "zu spät"
Nun, nach der Wahl, könnte sich Marie Schäffer vorstellen, dass die Grünen in Brandenburg mit SPD und Linken regieren, und formuliert Bedingungen: "Der Kohleausstieg ist eine rote Linie, wir können dort nicht länger warten." Ein Ausstieg im Jahr 2038, wie von der Kohlekommission beschlossen, sei zu spät: "Wir möchten 2030 das letzte Kohlekraftwerke abschalten", so Schäffer im rbb-Gespräch. "Wichtiger ist aber, dass wir schon in den nächsten Jahren die ersten Kohlekraftwerke abschalten, die dreckigsten, darum wird es dann in den Koalitionsverhandlungen gehen."
Wichtig ist ihr auch die Landwirtschaft. Im Wahlprogram der Grünen heißt es, die Partei wolle "den Anteil ökologischer Landwirtschaftsflächen bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode auf 25 Prozent erhöhen" und fordere eine "Verteilung der Subventionen nach ökologischen Kriterien" [Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen, Seite 4].
Aktuell werden laut Bauernverband rund zwölf Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Schäffer ist bewusst, dass eine Umstellung von konventioneller zu naturnaher Bewirtschaftung im Ackerbau - aber auch bei der Milchviehhaltung - zu geringeren Erträgen an Lebensmitteln führt. Doch "wir brauchen unbedingt eine Agrarwende, wir haben gemerkt im letzten Jahr und in diesem Jahr mit den Dürren, dass wir da ein riesiges Problem haben", so die 28-Jährige, "das muss sich auch in der Zuschusspolitik widerspiegeln". Hinzu komme: "Bisher werden viel zu viele Lebensmitteln woanders hin exportiert, wir wollen aber regionale Wirtschaftskreisläufe aufbauen. Ich glaube, dass man da mit Förderpolitik viel erreichen kann."
Verliererin Geywitz fliegt aus dem Landtag
Die unterlegene Kandidatin Klara Geywitz von der SPD hatte den Wahlkreis Potsdam I, der unter anderem Babelsberg, Golm und die nördliche Innenstadt umfasst, zuvor dreimal direkt gewonnen. Jetzt muss sie nach 15 Jahren ihr Landtagsbüro räumen; ihr Platz zehn auf der Landesliste half ihr nicht. Alle SPD-Plätze - 25 sind es - werden von anderen Direktkandidaten eingenommen, die Landesliste war diesmal bedeutungslos.
Klara Geywitz bewirbt sich derzeit zusammen mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz für den SPD-Bundesvorsitz - und dabei bleibt es, sagte die 43-Jährige dem rbb. "Olaf Scholz wusste, dass die Grünen hier sehr stark sind und ich verlieren könnte." Ein Mandatsverlust im eigenen Bundesland stehe diesem Amt nicht entgegen, denn "es ist so, dass in vielen Bereichen in Deutschland die SPD gerade nicht in der Lage ist, Direktmandate zu gewinnen und genau das will ich als Parteivorsitzende auch ändern." Außerdem: "Ich habe mehr Stimmen als die Partei und das spricht, glaube ich, schon dafür, dass ich als Person eine große Akzeptanz habe."
Das Wahlergebnis hat in ihren Augen gezeigt, wie wichtig Klimawandel und Umweltschutz seien, "und ich glaube, das ist auch ein Rezept, auch die SPD wieder stark zu machen: indem wir die Frage des Klimawandels mit der sozialen Frage verknüpfen. Und wir Lösungen schaffen, wie wir die Wirtschaft in Deutschland modernisieren auch durch Investitionen in den Klimaschutz", so Geywitz.
Das Amt des oder der SPD-Vorsitzenden wäre allerdings ein Ehrenamt; die Diplom-Politologin muss sich daher zunächst nach einem neuen Job umschauen. "Ich habe meine Diplomarbeit geschrieben über Selbststeuerungsprozesse im Bereich der technischen Normung", erzählte sie. "Ob das jetzt unbedingt etwas ist, das ich weiterführen will, muss ich noch sehen. Aber da brauche ich noch ein bisschen Zeit, um mich zu orientieren", kündigte Klara Geywitz an.
Um den SPD-Bundesvorsitz bewerben sich acht Kandidatenpaare. Die Entscheidung soll auf einem SPD-Parteitag im Dezember fallen.