Sondierungsgespräche in Brandenburg - Woidke sieht keinen großen Dissens mehr für "Kenia"-Koalition

Mi 18.09.19 | 21:48 Uhr
Dietmar Woidke (l-r, SPD), Ministerpräsident von Brandenburg, Michael Stübgen (CDU), kommissarischer Vorsitzender und Ursula Nonnemacher (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende, geben nach den Sondierungsgesprächen ein Interview vor dem Regine Hildebrandt Haus der Brandenburger SPD. Quelle: dpa/Patrick Pleul
Video: Brandenburg Aktuell | 18.09.2019 | Andreas B. Hewel, Andreas König, Michael Schon | Bild: ZB

Neben der SPD werden wohl auch die Grünen in Brandenburg regieren. Aber wer wird Dritter im Bunde - CDU oder Linke? Am Donnerstag wollen sich SPD und Grüne entscheiden. Eine "Kenia"-Koalition wäre durchaus möglich. Aber auch R2G bleibt eine Option.

Vor der Entscheidung über die neue Dreier-Koalition in Brandenburg sieht die SPD mit CDU und Grünen keine elementaren Konflikte mehr, mit Grünen und Linken eine Annäherung in Streitfragen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) legte sich am Mittwoch nach Beratungen mit beiden Dreier-Runden in Potsdam noch nicht fest. SPD und Grüne sondierten erst mit der Linken, dann mit der CDU.

Parteispitzen beraten am Donnerstag

Die Entscheidung über CDU oder Linke als drittem Partner von SPD und Grünen soll an diesem Donnerstag fallen. Dann beraten die Landesspitzen der vier Parteien. "Wir sind, was die Formulierung betrifft, in strittigen Themen heute so weit gekommen, dass es jetzt grundlegende Dissense nicht mehr gibt", sagte Woidke am Mittwoch in Potsdam.

Der kommissarische CDU-Landeschef Michael Stübgen äußerte sich ähnlich. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Ursula Nonnemacher betonte, sehr strittige Punkte seien durch tragfähige Kompromisse überbrückt worden.

Nach dem Sondierungsgespräch mit den Linken, das zuvor in der Potsdamer Parteizentrale der SPD stattgefunden hatte, ließ Woidke die Entscheidung weiter offen. "Wir sind uns in wesentlichen Fragen nahegekommen und haben wichtige Konfliktpunkte aus dem Weg räumen können und werden dann morgen sehen, wie die Entscheidung aussieht", sagte der SPD-Landeschef nach der dreistündigen Sondierungsrunde. "Solche Bündnisse sind keine Liebesheirat", sagte Nonnemacher. Im Anschluss hatten SPD und Grüne mit der CDU gesprochen.

Woidke und Nonnemacher hatten angekündigt, ihre Entscheidung über mögliche Regierungskonstellationen am Donnerstag bekanntzugeben. Parallel treffen sich dann auch die Gremien von CDU und Linken.

Unterschiedliche Tendenzen in SPD und bei den Grünen

In der SPD gibt es mehrere prominente Stimmen, die lieber mit der CDU als mit der Linken arbeiten würden. Zu den Befürwortern dieser Koalition zählen Landesvorstand Harald Sempf und der Präsident des Landkreistags, Wolfgang Blasig. Bei den Grünen gibt es intern offenbar eine andere Vorliebe - Nonnemacher hatte am Montag mit Blick auf ein Bündnis von SPD, Grünen und Linken gesagt, "dass es in unserer Partei eine Neigung in diese Richtung gibt, aber wir verhandeln ernsthaft". Am Mittwoch sagte sie über das Gespräch mit der Linken: "Wir sind sehr, sehr weit gekommen."

"Wir sondieren so intensiv, dass ich inzwischen unter erheblichem Schlafmangel leide", hatte die Grünen-Fraktionsschefin erst am Dienstag gesagt. "Rote Linien" gebe es in den Sondierungsrunden nur eine - das sei die Aufschließung neuer Tagebaue und die Abbaggerung weiterer Dörfer. Ansonsten werde "bis zu den Schmerzgrenzen" verhandelt.

Rot-grün-rote Einigkeit bei Wohnen, Gesundheit und ÖPNV

Die Linke-Landesvorsitzende Anja Mayer antwortete auf die Frage eines Journalisten, ob sie denn noch glaube, dass Rot-Grün-Rot komme: "Ich bin kein gläubiger Mensch, ich halte mich an Fakten und da werden wir morgen entscheiden." Bei den Themen Wohnen, Gesundheit, Pflege und öffentlicher Nahverkehr hätten die drei Parteien grundlegende Einigkeit erzielt. Gemeinsam sei allen dreien das Ziel, Brandenburg sozial, ökologisch und mit Zusammenhalt zu gestalten. Über den Streitpunkt eines Abschiebegefängnisses sagte sie: "Da haben wir weiterhin einen Dissens."

Der kommissarische CDU-Landeschef Michael Stübgen zeigte sich hoffnungsvoll für ein Bündnis mit seiner Partei. Angesprochen auf die Äußerung der Linken-Landeschefin über die Chancen von Rot-Grün-Rot, sagte der Pfarrer Stübgen: "Ich bin ein gläubiger Mensch." Bei allen inhaltlichen Punkten sehe er die Möglichkeit einer Einigung. Das Grundvertrauen sei bei ihm vorhanden und bei den beiden anderen Partnern gewachsen.

Konsens beim Streitthema Abschiebehaft in Sicht

Kurz nach dem Start der Sondierungen war CDU-Landes- und Fraktionschef Ingo Senftleben angesichts eines Machtkampfes in der Fraktion zurückgetreten. Die CDU hatte sich daraufhin an der Spitze neu aufgestellt. Zum Streitthema Abschiebehaft sagte Stübgen, dass die drei möglichen Koalitionäre eine Lösung für möglich hielten, die jedem ausreiche. Als wichtige Gemeinsamkeiten nannte er mehr Transparenz und mehr Dialog mit den Bürgern.

Bei der Landtagswahl am 1. September war die SPD trotz Verlusten stärkste Kraft vor der AfD geworden, die im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren deutlich hinzugewann. Auch die Grünen legten zu, während die Linke und die CDU Einbußen hatten. Rot-Schwarz-Grün hätte sechs Stimmen Mehrheit im Landtag, Rot-Grün-Rot nur eine Stimme.

SPD-Generalsekretär Erik Stohn sagte, SPD und Grüne wollten mit einem gemeinsamen Vorschlag in die entscheidende Sitzungen am Donnerstag gehen. Grünen-Spitzenkandidat Benjamin Raschke betonte: "Wir messen das am Ende an den Inhalten."

Sendung: Brandenburg Aktuell, 18.09.2019, 19.30 Uhr

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