Erste Sitzung des Brandenburger Landtags - Ulrike Liedtke zur neuen Landtagspräsidentin gewählt
Bei der ersten Sitzung des neuen Brandenburger Landtags ist Ulrike Liedtke (SPD) zur neuen Landtagspräsidentin gewählt worden. Zu ihren Stellvertretern wurden am Mittwoch Andreas Galau von der AfD und Barbara Richstein von der CDU bestimmt.
Die SPD-Politikerin Ulrike Liedtke ist mit großer Mehrheit zur neuen Präsidentin des Brandenburger Landtags gewählt worden. Von den 88 Abgeordneten stimmten 77 für die SPD-Kandidatin, sechs stimmten gegen sie, Enthaltungen gab es fünf. Die 60-jährige Musikwissenschaftlerin aus Rheinsberg tritt die Nachfolge ihrer Parteikollegin Britta Stark an, die bei der Wahl am 1. September den Einzug ins Parlament nicht mehr geschafft hatte.
Im Anschluss an die konstituierende Sitzung übergab Stark die Geschäfte an ihre Nachfolgerin, symbolisiert durch die Glocke der Präsidentin. Vor der Sitzung hatte in der St. Nikolaikirche am Alten Markt ein ökumenischer Gottesdienst stattgefunden.
Liedtke vertritt "radikalen Gegenpol zum Populismus"
In ihrer ersten Rede als neue Landtagspräsidentin sagte Liedtke: "Ich werde mein Bestes geben, um in den Plenarsitzungen das Mit- und Gegeneinander fair und respektvoll zu gestalten." Sie wolle eine Debatten- und Streitkultur etablieren, die auf Zuhören und konstruktivem Aushandeln von Kompromissen basiere. Das sei ein "radikaler Gegenpol zum Populismus", so Liedtke.
Außerdem warb die neue Parlamentspräsidentin dafür, den Bürgern zuzuhören. Sie wolle in ihrem Amt nicht nur in Potsdam, sondern auch in den Landkreisen unterwegs sein. "Ich will das Bürgerinnen und Bürger die Politik in Echtzeit miterleben können", sagte sie. Für ihre Rede bekam Liedtke Applaus aus allen Fraktionen.
Galau und Richstein im ersten Wahlgang gewählt
Neben der Landtagspräsidentin wurden bei der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags erstmals zwei Vizepräsidenten gewählt. Aus der zweitstärksten Fraktion, der AfD, wurde Andreas Galau überraschend bereits im ersten Wahlgang gewählt. Für Galau stimmten 36 Abgeordnete, außerdem gab es 20 Gegenstimmen, 31 Enthaltungen und eine ungültige Stimme. Am Dienstag war noch unsicher gewesen, ob er die erforderliche einfache Mehrheit bekommen würde. Mehrere Fraktionen, darunter die Linke, angekündigt, nicht oder nicht aktiv für Galau zu stimmen.
Grüne kritisieren Ja-Stimmen für Galau aus anderen Fraktionen
Bündnis90/Die Grünen kritisierten, dass Galau deutlich mehr mehr Ja-Stimmen erhielt, als die AfD Sitze hat. "Für unsere Fraktion kann ich solche Ja-Stimmen ausschließen", sagte die Fraktionschefin der Grünen, Ursula Nonnemacher. Zwar sei das Recht jeder Fraktion, Vertreter ins Präsidium zu entsenden, in der brandenburgischen Landesverfassung festgeschrieben; angesichts der Stimmen, über die die AfD selbst verfügt, hätte es "aber völlig ausgereicht, sich zu enthalten", beklagte Nonnemacher.
Von Lützow im ersten Wahlgang durchgefallen
Zur zweiten Vizepräsidentin wurde mit einem deutlichen Ergebnis Barbara Richstein von der CDU gewählt. Sie erhielt 75 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Alle Fraktionen sind zudem mit einfachen Mitgliedern im Präsidium vertreten.
Ein Kandidat der AfD-Fraktion für das erweiterte Präsidium fiel allerdings durch: Der Abgeordnete Daniel Freiherr von Lützow erhielt in der ersten Abstimmungsrunde nicht die notwendige einfache Mehrheit. Von Lützow erhielt 28 Ja-Stimmen, 57 stimmten gegen ihn - bei drei Enthaltungen. Die AfD-Fraktion schlug ihn daraufhin für einen weiteren Wahlgang vor. Auch in diesem fiel der Abgeordnete am frühen Nachmittag durch (27 Ja- und 55 Nein-Stimmen - bei vier Enthaltungen).
Wie die Pressestelle des Landtags mitteilte, wird die AfD-Fraktion in einer der nächsten Präsidiumssitzungen einen neuen Wahlvorschlag einreichen. Der zweite AfD-Kandidat, Steffen Kubitzki, erhielt dagegen die notwendige einfache Mehrheit: Für ihn stimmten 34 Abgeordnete, mit Nein stimmten 30 Parlamentarier, 24 enthielten sich.
AfD-Alterspräsidentin eröffnet Sitzung
Eröffnet hatte die konstituierende Sitzung Marianne Spring-Räumschüssel von der AfD. Die 73-Jährige hatte als Alterspräsidentin auch die Eröffnungsrede gehalten. Darin spielte sie bereits auf parteipolitische Vorgänge an und erntete kritische Zwischenrufe.
"Bei der Aussage zu möglichen Koalitionen wird gern und oft der Ausspruch bemüht, man koaliere nur mit Parteien aus dem demokratischen Spektrum", kritisierte Spring-Räumschüssel in ihrer Rede. Mit der indirekten Wählerschelte stelle man knapp ein Viertel der Wählerinnen und Wähler außerhalb des demokratischen Spektrums und verabschiede sich vom politischen Diskurs, sagte die AfD-Politikerin. SPD-Fraktionschef Mike Bischoff rief daraufhin: "Unwürdige Eröffnung." Spring-Räumschüssel entgegnete: "Ich erteile gleich einen Ordnungsruf." Applaus bekam die Rednerin nur von der AfD-Fraktion.
"Tiefpunkt" des ersten Plenartags
Im Nachhinein kritisierte auch Grünen-Fraktionschefin Nonnemacher die Rede der Alterspräsidentin. Dies sei der "Tiefpunkt" des ersten Plenartags gewesen. lnsbesondere, dass die AfD-Politikerin "Attacken gegen die repräsentative Demokratie ritt" sowie "ihr Klagelied von den vermeintlichen Opfern der 'Political Correctness'" seien einer Parlamentseröffnung "unwürdig" gewesen, meinte Nonnemacher.
Die Mitglieder der Linken-Fraktion hatten unterdessen Wolfsmensch-Skulpturen des Künstlers Rainer Opolka aus der Ausstellung "Die Wölfe sind zurück" auf ihren Tischen platziert, um damit nach eigenen Angabe ein Zeichen gegen den Rechtsruck im Land zu setzen. Mit ähnlichen Figuren hatte Opolka in der Vergangenheit mehrfach gegen die AfD-Politik protestiert.
Sendung: Inforadio, 25.09.2019, 11:40 Uhr