Kliniken und Pflegeheime in Berlin - Zeitarbeitspfleger werden nicht lückenlos getestet
Zeitarbeitspfleger wechseln tageweise zwischen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hin und her. Doch eine konsequente Verpflichtung zu Corona-Tests vor Arbeitsantritt besteht in Berlin nicht. Von Jana Göbel
Er war nicht verwundert, als er den positiven Corona-Test in den Händen hielt. Als Zeitarbeits-Pflegekraft ist Andreas Meier, der seinen richtigen Namen nicht veröffentlichen will, an vielen Orten in Berlin im Einsatz. Innerhalb einer Woche wechselte er als sogenannter Springer zwischen Kliniken und Pflegeheimen hin und her, ohne auch nur einmal getestet zu werden. Schließlich hatte die Verwandtschaft darauf bestanden, dass er sich privat testen lässt. Und dabei stellte sich heraus: Er ist corona-positiv.
"Ich zeige keine Symptome. Ich hätte meine Arbeit ganz normal weitergeführt", sagt Meier, "und so das Coronavirus weiter übertragen können."
Ungetestet von einer Einrichtung zur nächsten
In einer normalen Arbeitswoche Anfang Januar arbeitete Andreas Meier zuerst in einem Pflegeheim, dann in einem Krankenhaus, dann wieder im Pflegeheim, dann in einem anderen Krankenhaus, einmal sogar auf einer Corona-Station. Hätte er sich nicht testen lassen, wäre sein nächster Einsatzort wieder ein Pflegeheim gewesen. Dort hätte er das Virus einschleppen können.
Wie kann es sein, dass Meier ungetestet von einer Einrichtung zur nächsten wechseln darf? Wer hätte den Zeitarbeitspfleger testen müssen?
Unsicherheit bei Testvorschriften für Pflege-Springer
Die verschiedenen beteiligten Fachleute geben dazu auf Nachfrage von rbb|24-Recherche ganz unterschiedliche Auskünfte. In der Praxis scheint große Unsicherheit zu herrschen.
Meike Jäger, Fachbereichsleiterin Gesundheit der Gewerkschaft Verdi, beschreibt die Situation als unklar. Sie geht aber davon aus, dass der Verleiher, also die Zeitarbeitsfirma die Verantwortung habe, die Pflegekräfte zu testen, bevor sie zu einem anderen Einsatzort wechseln.
Im Verdi-Fachbereich Zeitarbeit heißt es wiederum: Beide Seiten hätten eine Fürsorgepflicht. Die verleihende Firma müsse die Tests sichern und die Einrichtungen, in denen der Pfleger arbeitet, müssten diese prüfen. Krankenhäuser und Pflegeheime dürften die Zeitarbeiter nicht ohne Test reinlassen.
Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbands Pflege sagt wiederum, zuständig seien die Einrichtungen, in denen die Pflegekraft arbeitet. Aus ihrer Sicht sei es fahrlässig, wenn diese nicht testen, da man ja nie wissen könne, wo die Pflegekräfte vorher eingesetzt waren.
Auch Jörg Feldmann, Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, erklärt, für den Arbeitsschutz sei der Entleiher zuständig, also die Pflegeheime und Krankenhäuser, wo die Pflegekraft eingesetzt wird. Dort mache ein Test den größten Sinn.
Der Gesundheitsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Detlef Wagner, erklärt wiederum, es gebe keine direkte Vorgabe für Tests bei Zeitarbeitspflegern. Die Pflegeheime müssten ihr Personal alle zwei Tage testen, doch wenn die Zeitarbeiter nur einen Tag dort arbeiten, entstünden möglicherweise Lücken. Für die Krankenhäuser gebe es lediglich Empfehlungen für regelmäßige Tests, eine verpflichtende Vorschrift sei Wagner nicht bekannt. Er fordert deshalb, dass Pflegekräfte, die von außen kommen, vor jedem Dienstantritt getestet werden.
Keine Testvorgaben für Zeitarbeitspfleger in Kliniken
Aufklärung gibt die Senatsverwaltung für Gesundheit. Für die Einsätze in Krankenhäusern gebe es in Berlin tatsächlich keine generelle Testpflicht. Das Personal, egal ob fest angestellt oder Zeitarbeiter, habe allerdings einen Anspruch auf Tests, auch wenn keine Symptome vorlägen.
Anders bei den Pflegeeinrichtungen: Hier muss das Personal, auch Zeitarbeitspfleger, alle zwei Tage getestet werden. Wer nicht da war, müsste den Test eigentlich nachholen.
Schaut man auf das Gesamtpaket der Vorschriften, ist es systemisch durchaus immer wieder möglich, dass eine Pflegekraft mit ständigem Arbeitsortswechsel mehrfach durchs Netz rutscht.
Die verschiedenen Einrichtungen, in denen der Zeitarbeitspfleger Meier wechselweise tätig war, teilten rbb|24-Recherche durchweg mit, dass sie sich an die Vorschriften halten. So schrieb ein Krankenhauskonzern, er biete allen Mitarbeitenden zwei Mal wöchentlich Corona-Tests an. Eine andere Krankenhauskette antwortete, das Personal werde ein bis zwei Mal wöchentlich getestet. Zeitarbeitskräfte hätten die Möglichkeit, sich jederzeit testen zu lassen. Und das Pflegeheimunternehmen, bei dem Meier tätig war, schrieb, dass allen Pflegekräften, also auch Zeitarbeitern regelmäßig Tests angeboten würden. Von einer Testpflicht oder von Kontrolle der Zeitarbeitspfleger war in keiner einzigen Antwort die Rede; die Tests sind Angebote. Andreas Meier war darüber nicht informiert, sonst hätte er sich nicht privat testen lassen.
Zeitarbeitsfirma kritisiert fehlende Testpflicht
Und wie handhabt es die Zeitarbeitsfirma "Pflegeagenten", bei der Andreas Meier angestellt ist? Die stellvertretende Geschäftsführerin Michaela Sommer bestätigt gegenüber rbb|24-Recherche, dass die Mitarbeiter nicht jedes Mal vor Arbeitsaufnahme an einem neuen Einsatzort getestet werden. Es gebe auch keine Verpflichtung dazu. Gut findet sie das nicht. Sie fordert deshalb, dass Zeitarbeits-Pflegekräfte grundsätzlich getestet werden, bevor sie neu in einer Klinik oder einem Pflegeheim tätig werden. Die Politik sollte das verbindlich festlegen.
Bis das geschehen ist, bietet Michaela Sommer von den "Pflegeagenten" ihren Beschäftigten nun an, dass sie sich jederzeit testen lassen können, die Kosten würde die Firma später erstatten.
Für Andreas Meier kommt das zu spät, er ist erstmal in Quarantäne und wird hoffentlich bald wieder gesund. Obwohl seine Erkrankung an Gesundheitsamt und Krankenkasse gemeldet wurde, berichtet er, habe bisher niemand danach gefragt, mit wem er zuvor Kontakt hatte, wo er eingesetzt war oder wen er während seiner Arbeit angesteckt haben könnte. Wenn es nicht bald eine Vorschrift zum Testen der Zeitarbeitspfleger vor jedem neuen Einsatzort gibt, wird er weiter zwischen Kliniken und Pflegeheimen wechseln – möglicherweise ohne vorher getestet zu werden.