Flughafen in Finanznot - Warum der BER unter seinem eigenen Geschäftskonzept leidet
Der Teilrückzug von Easyjet dürfte die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg Millionen kosten. Das erhoffte dauerhafte Wachstum bleibt bislang aus. Der BER kann nun immerhin mit 2,4 Milliarden Euro rechnen. Von René Althammer, rbb24 Recherche
Allzu groß dürfte der Schreck bei der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) in der vergangenen Woche angesichts der Nachrichten von Easyjet und Ryanair nicht gewesen sein. Denn die beiden Fluggesellschaften hatten schon vor einigen Monaten verkündet, dass sie die Gebühren am BER für zu hoch halten. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie machen den Airlines zu schaffen. Mit der aktuellen Ankündigung von Easyjet, sieben Flieger vom BER abzuziehen, machte das Unternehmen die Drohung wahr. Und offen ist, wie Ryanair sich nun verhält.
Ob der Flughafengesellschaft wirklich, wie nach Bekanntwerden einer internen Mail berichtet, 30 Millionen Euro entgehen werden, scheint derzeit noch nicht sicher. Auf Anfrage von rbb24 Recherche teilte die FBB mit: "Ein möglicher Einnahmeverlust kann nicht genauer beziffert werden. In der Information an den Aufsichtsrat ging es darum, eine Vorstellung von der Größenordnung zu vermitteln." Denkbar ist, dass andere Gesellschaften einspringen, wenn das Geschäft wieder in Gang kommt und mehr Menschen nach Berlin fliegen wollen und können.
Eine Gebührenabsenkung, wie von Easyjet und Ryanair gefordert, ist schlicht nicht möglich. Die EU-Kommission, die im Februar einer staatlichen Beihilfe von 1,7 Milliarden Euro zugestimmt hatte, hat dies ausdrücklich untersagt. Die Hilfen dürfen dem Unternehmen keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen, sondern dienen nur zum Ausgleich der Corona-bedingten Verluste.
Wachstumshoffnung als Problem
Die aktuellen Ereignisse machen deutlich: Die FBB und ihr BER leiden dauerhaft an ihren Geburtsfehlern - überteuerte Baukosten und ein auf dauerhaftes Wachstum basierendes Geschäftsmodell. Über sechs Milliarden Euro wurden mit Zustimmung der politisch Verantwortlichen in Berlin, Brandenburg und im Bund verbaut. Anderswo hätte man dafür zwei Flughäfen bekommen.
Um die enormen Kosten zu refinanzieren, sahen die Businesspläne des Unternehmens nur einen Weg: Wachstum durch ständig steigende Passagierzahlen. Darauf baut auch die Gebührenordnung des BER auf: Je mehr Passagiere pro Flugzeug die Airlines über den BER bewegen, um so günstiger die Kosten pro Passagier. Im Gebührendeutsch sind das zum einen die passagierunabhängigen Fixkosten und die Kosten pro Passagier, nach denen abgerechnet wird.
Im aktuellen Businessplan geht die FBB im sogenannten Management-Case ab 2025/26 von einem jährlichen Wachstum von gut zwei Prozent aus, wenn sich der Luftverkehr bis dahin soweit erholt hat, dass der Stand von 2019 (35,65 Mio Passagiere) wieder erreicht ist. In früheren Plänen ging man von 2,3 Prozent aus, wollte 2022 gar mehr als 38 Millionen Passagiere abfertigen. Der BER als Erfolgsmodell. Doch dann kam Corona. Aber kam wirklich nur Corona?
Der Traum vom BER als internationalem Knotenpunkt ist ausgeträumt
Die mögliche Refinanzierung des BER trotz steigender Kosten lebte lange von der Hoffnung, dass der BER ein internationaler Knotenpunkt wird. Doch dieser Traum ist lange ausgeträumt. Was blieb, ist die Attraktivität des Standorts Berlin für Touristen. Millionen Passagiere, die dank billiger Tickets die Stadt besuchen, damit verdient der BER vor allem. Bleiben sie aus und ziehen sich die Lowcost-Carrier zurück, dann trifft es das Unternehmen besonders hart.
Doch veränderte Urlaubsgewohnheiten, Krisensituationen, die den Menschen ans Portemonnaie gehen, der bewusstere Umgang mit den natürlichen Ressourcen und die Erfahrung, dass nicht jedes Meeting vor Ort stattfinden muss, all diese Faktoren wirken sich auf die Zukunft der Luftverkehrs aus – und schlagen sich in den Einnahmen des BER deutlicher nieder als bei anderen Flughäfen.
Wirtschaftsprüfer benennen Risiken
Wirft man einen Blick in den Geschäftsbericht der FBB so wird im schnell klar: Die Zukunft der FBB hängt unter den derzeitigen Voraussetzungen am "seidenen Faden", wie es im Konzernanhang für das Geschäftsjahr 2021 heißt. Zur "Unternehmensfortführungsprognose" stellen die Wirtschaftsprüfer fest: "Nach vorliegender Planung wird der Liquiditätsbedarf bis zum Ende des Prognosezeitraums durch vorhandene und erwirtschaftete Mittel gedeckt sein. Dies erfordert jedoch, dass die der Planung zugrunde liegenden Annahmen auch eintreten, insbesondere: Erholung des Flugverkehrs und damit einhergehend eine Erhöhung der Passagierauslastung (...)."
Wenn jedoch weniger Passagiere als geplant nach Berlin kommen, dann ist eine der Voraussetzungen hinfällig und es stellt sich die Frage: Wie weiter? Die Berliner CDU sieht den Ausweg in "privaten Partnern", wie Christian Gräff, der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus am Montag sagte. Ein von der CDU vorgeschlagenes "Konzessionsmodell für den Flugbetrieb gegen eine jährliche Abgabe von 200 Millionen Euro könnte mehr unternehmerisches Knowhow und vor allem Entlastung der öffentlichen Hand bringen".
Die Umsatzerlöse der FBB im Jahr 2021 betrugen 271 Millionen Euro. Ob ein privater Partner, der mittel- oder langfristig kalkuliert, wirklich dazu bereit ist, bei der FBB einzusteigen – und damit auch für die Schulden miteinzustehen – bleibt fraglich.
Hunderte Millionen zusätzlich sind sicher
Sicher ist hingegen: Bis 2026 wird die FBB nach Informationen von rbb24 Recherche mit bis zu 2,4 Milliarden Euro von den drei Gesellschaftern rechnen können. Diesen Finanzbedarf hat die FBB seit längerem angemeldet. 1,7 Milliarden Euro hat die EU-Kommission bereits genehmigt.
Weitere Mittel sollen, so teilt die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen dem rbb auf Nachfrage mit, "nach aktueller Planung im Jahr 2026" zur Verfügung gestellt werden. Die FBB müsse jedoch noch einen sogenannten Market Economy Operator Test (MEOT) bestehen, der voraussichtlich Ende 2024 erfolgen soll. Dieser Test soll für Unternehmen in öffentlicher Hand sicherstellen, dass staatliche Finanzhilfen nicht wettbewerbsverzerrend wirken und private Investoren aufgrund der zukünftigen Unternehmensentwicklung ebenso weitere Millionen in das Unternehmen pumpen würden.
Ob damit dann die FBB auf Dauer finanziell saniert ist, wird sich zeigen.
Korrekturhinweis, 31.05.2022, 13:15 Uhr: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, der MEOT sei bereits erfolgreich absolviert. Die Senatsverwaltung für Finanzen wies jedoch am Dienstagvormittag darauf hin, dass der Test noch aussteht.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 30.05.2022, 19:30 Uhr