Klimabelastung durch Militär - Treibhausgas-Emissionen der Bundeswehr steigen erheblich
Die klimaschädlichen CO2-Emissionen der Bundeswehr sind in den vergangenen drei Jahren um fast 18 Prozent gestiegen. Das soll vor allem an dem Heizverhalten in den Kasernen liegen. Von Torsten Mandalka
Wenn ein Airbus der Bundeswehr-Flugbereitschaft in Berlin abhebt, um zu seinem Stationierungsort nach Köln/Bonn zurückzufliegen, stößt er für diesen Flug schätzungsweise bis zu 15 Tonnen klimaschädliches CO2 aus. Und das ist nur einer von rund 400 Verbindungsflügen der Flugbereitschaft zwischen ihren verschiedenen Stationierungsorten pro Jahr. Rund drei Viertel davon sind Leerflüge – auch wenn die Luftwaffe das in Abrede stellt und von der Notwendigkeit von Übungs- und Schulungsflügen spricht.
Ein solcher Airbus-Flug gehört zum Bereich der "militärspezifischen Mobilität". Der Anstieg der CO2-Emissionen in diesem Bereich betrug nach Angaben der Bundesregierung von 2019 bis 2021 25 Prozent. Ursächlich dafür sei vor allem der Anstieg des Kraftstoffverbrauchs der Luftwaffe. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor.
Mehr Flugzeuge und mehr Heizungen
Zur Erklärung ergänzte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums gegenüber rbb24 Recherche, bei der Erfassung von Flugkraftstoffverbräuchen habe es in den letzten Jahren einen Systemwechsel gegeben, so dass jetzt auch Drittanbieter (z.B. Betankung im Ausland) erfasst würden. Zudem habe sich die "materielle Einsatzlage" verbessert – es steht also nicht mehr so viel Gerät im Wartungsstau und wird deshalb wieder bewegt. Sie spricht außerdem von einem "Zulauf weiterer Flugzeuge" – auch so sei der erhöhte Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu erklären.
Insgesamt hat die Bundeswehr im Jahr 2021 1,71 Millionen Tonnen CO2-Equivalent ausgestoßen gegenüber 1,45 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Das entspricht einer Steigerung von 17,9 Prozent. Zur Begründung gibt der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Hitschler (SPD) den Mehrverbrauch von Brennstoffen im Infrastrukturbereich an, vor allem also zur Heizung von Liegenschaften. Die Wintertemperaturen 2021 hätten deutlich unter jenen des Jahres 2020 gelegen, ergänzte die Ministeriums-Sprecherin. Außerdem habe es auch hier eine durch die Bundesregierung vorgegebene Veränderung der Berechnungsgrundlage gegeben. Auf der anderen Seite habe wahrscheinlich die Pandemie und die dadurch gestiegene Home-Office Quote auch zu Einsparungen geführt. Sonst wären die Emissionssteigerungen wohl noch höher.
Linken-Abgeordnete: Bundeswehr ist ein Klima-Killer
Im Vergleich zur Gesamt-Klimabilanz der Bundesrepublik schneidet die Bundeswehr jedenfalls besonders schlecht ab. Schon 2018 – noch vor Corona – sanken die CO2-Emissionen der Republik um 4,5 Prozent. In den Corona-Jahren 2019 und 2020 verzeichnete das Umweltbundesamt Rückgänge um 6,3 bzw. 8,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bevor sie 2021 wieder um 4,5 Prozent anstiegen.
Die Energie- und Emissionsbilanz des bundesdeutschen Militärs ist den aktuell veröffentlichten Zahlen zum Trotz aber nach wie vor unvollständig dokumentiert: die Auslandseinsätze deutscher Soldaten sind bisher nicht eingerechnet. Entsprechende Daten lägen allenfalls in den Einsatzländern oder bei den einsatztragenden internationalen Organisationen vor, heißt es. Auch zivile Flüge von Bundeswehrangehörigen finden in der Aufstellung keine Berücksichtigung, ebenso wenig wie die Klimabilanz der Rüstungsproduktion. Auch nach den für die Zukunft geplanten 100-Milliarden-Sonderinvestitionen ins Militär und deren Klimaauswirkungen fragten die Linken. "Potenzielle Auswirkungen von Erhöhungen des Verteidigungsetats auf die Treibhausgas-Emissionen sind rein hypothetisch und können daher nicht beziffert werden", heißt es dazu von Seiten des Verteidigungsministeriums.
Die Fragestellerin Sevim Dagdelen (Linke) zieht aus all dem folgende Schlussfolgerung: "Der massive Anstieg der CO2-Emissionen zeigt: die Bundeswehr ist ein Klimakiller." Eine weitere Aufrüstung werde den ökologischen Fußabdruck der Bundeswehr zulasten von Mensch und Umwelt dramatisch weiter vergrößern. Statt in Militär sollte in Energiesicherheit und Klimaschutz investiert werden.
Militär als blinder Fleck in der Klimaforschung
Zur Klimabelastung durch Kriege und Militäreinsätze gibt es in der Klimaforschung kaum Erkenntnisse. Etwas detaillierter – und deswegen mit den Daten der Bundeswehr kaum vergleichbar - sind Studien, die zur Klimabilanz des US-Militärs vorliegen. Schon 2019 hat Neta Crawford, eine Wissenschaftlerin der Universität Boston, festgestellt, dass das amerikanische Verteidigungsministerium der größte Einzelverbraucher von Energie in den USA und der größte institutionelle Verbraucher von Erdöl weltweit ist.
2017 emittierte das US-Militär demnach rund 59 Millionen Tonnen CO2 Equivalent, mehr als z.B. Schweden, Finnland oder Dänemark insgesamt ausstoßen. Vergleichbare Erkenntnisse und entsprechendes Zahlenmaterial liegen für ebenfalls hoch gerüstete Länder wie Russland oder China allerdings nicht vor. Aus den bisherigen UN-Protokollen zum Klimaschutz von Kyoto über Paris bis Glasgow blieb das Militär immer ausgespart.
Sendung: Abendschau, 19.05.2022, 19:30 Uhr