Austrocknende Teiche - Berliner Kleingewässer sterben einen schleichenden Tod
Sinkender Grundwasserspiegel, versickernde Zuflüsse - vielen Berliner Teichen, Weihern und Pfuhlen geht es nicht gut. Rund ein Drittel ist bereits trockengefallen. Schuld ist der Klimawandel, aber auch schlechtes Wassermanagement. Von Torsten Mandalka und Jan Menzel
Vor zwölf Jahren ist Barbara Storbeck aus der Berliner Innenstadt nach Hönow gezogen – der idyllischen Landschaft wegen. Damals gab es an der Hönower Weiherkette noch Schwäne, Reiher und Enten. Angler saßen am Ufer der zwölf kleinen Seen am Stadtrand Berlins. Von der Idylle ist nicht viel geblieben. Nur Bogensee und Entenpfuhl führen noch etwas Wasser, der Rest ist ausgetrocknet.
Barbara Storbeck steht mitten im Weidenpfuhl auf der Suche nach wenigstens einer Pfütze. Doch selbst jetzt, am Ende eines relativ nassen Winters, ist höchstens ein bisschen Restfeuchte im Boden. "Jeder hier regt sich auf", sagt die resolute Rentnerin. "Viele verkaufen ihre Wohnungen, weil sie sagen: So wollen wir eigentlich nicht wohnen. Das Ganze geht hier den Bach runter."
Ein Drittel ist schon trocken
Zu dem Befund kommt auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Naturschützer haben auf eigene Initiative die Berliner Kleingewässer von inzwischen sechs Bezirken untersucht. Damit haben sie mehr als drei Viertel aller Gewässer erfasst, jedes einzelne von ihnen genau angesehen. Die Daten liegen der Redaktion rbb24-Recherche exklusiv vor.
Die aktuelle Analyse des Leiters des Kleingewässer-Projekts, Norbert Prauser, ist ernüchternd: Knapp die Hälfte der untersuchten Gewässer seien in einem mangelhaften Zustand, 37,6 Prozent seien bereits trockengefallen. Kritik übt der BUND in dem Zusammenhang auch an den Behörden: Von mehr als 100 der untersuchten Gewässer wüssten die Ämter noch nicht einmal, dass es sie gibt.
Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) bestätigt die Bedrohung der Berliner Kleingewässer. Sie sieht die Ursache auch darin, dass die Stadt wächst und immer mehr Wasser verbraucht. Vor dem Hintergrund stellt sie im Interview mit rbb24-Recherche fest: "Wir brauchen einen Paradigmenwechsel." Es müsse klar werden, wie kostbar Wasser ist. "Das bedeutet auch Investitionen in die Wasserbetriebe in den nächsten Jahren. Das bedeutet auch: Wasser sparen." Zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Geisel, dem Stadtentwicklungssenator von der SPD, hat sie das Projekt "Blaue Perlen" wiederbelebt. Zwei Kleingewässer, der Lankegrabenteich in Lankwitz und der Schleipfuhl in Hellersdorf sollen als Pilotprojekte "ökologisch aufgewertet" werden, 28 weitere Gewässer sollen in den nächsten Jahren folgen.
Schnelle Rettungsmaßnahmen müssen her
Die Kleingewässer-Rettungsmaßnahmen laufen aber nur schleppend an. "Zwei von 300 notleidenden Gewässern im 'Blaue Perlen'-Programm - das reicht natürlich überhaupt nicht aus.", sagt Carlo Becker. Er ist Landschaftsarchitekt und der Erfinder des Schwammstadt-Konzepts. "Wir müssen da viel aktiver und viel schneller werden." Darunter versteht Becker, dass das städtische Entwässerungs-System komplett umgedreht werden sollte.
Anstatt das gesamte Regenwasser in der Stadt über die Kanalisation abzuführen, müsse das wenige Wasser, das jetzt noch herabregne, in der Stadt bleiben. Auch der zukünftig häufiger vorkommende Starkregen müsse auf diese Weise besser abgefangen und verteilt werden.
Die Kleingewässer seien dafür ideale Speicher, erläutert Becker am Beispiel des Francketeichs in Tempelhof. In dessen Umgebung gibt es einige Bauprojekte, bei denen jetzt darüber nachgedacht werde, wie man von deren Dächern und Flächen Wasser für den Francketeich gewinnen kann.
Wichtig ist dabei: Das Wasser muss sauber sein oder gereinigt werden, damit es ökologisch wertvoll bleibt. Eine schlichte Sickergrube für dreckiges Straßenabflusswasser nützt niemandem. Das Berliner Problem – so Becker weiter – "ist symptomatisch für ganz Deutschland." In der Hauptstadt jedenfalls habe man es wenigstens erkannt.
Senatorin sieht "Mammutprojekt"
Die Berliner Umweltsenatorin Jarasch unterstützt die Vorschläge der Wasserexperten, macht aber klar, dass hier ein "Mammutprojekt" ansteht. Ein Problem ist, dass die Zuständigkeit für die Kleingewässer bei den Bezirken liegt. Und hier fehlt es häufig an Geld, Personal und Kompetenz. Jarasch sucht einen "kooperativen Ansatz", will mit den Bezirken genauso reden, wie mit Vertretern der Zivilgesellschaft und betont: "Es ist eine große Aufgabe. Wie bei allen anderen großen Aufgaben des Landes gilt: Wir können nur eins nach dem anderen machen. Hauptsache: Wir machen es." In der Frage der Finanzierung verweist sie auf das "Öko-Konto", in das Bauherren schon jetzt Abgaben für die Herstellung von ökologischen Ausgleichsflächen leisten müssen.
In Hönow haben Anwohner inzwischen eine Bürgerinitiative gegründet. "Schutzgemeinschaft Hönower Weiherkette" haben sie sie genannt. Rentnerin Barbara Storbeck und ihre Nachbarn suchen Mitstreiter, jüngere Leute, die zum Beispiel eine Webseite erstellen können. Gemeinsam versuchen sie, die Aufmerksamkeit von Bezirksverwaltung und Senat auf ihr Wassermangel-Problem zu lenken. Das Misstrauen ist groß: Vermutungen werden diskutiert, nach denen nicht nur der Klimawandel, sondern auch Baupläne für eine neue Straße Schuld sind an der Trockensteppe um sie herum. Die Wunschvorstellungen sind jedenfalls klar: "Ideal wäre," sagt Barbara Storbeck, "wenn die Weiher wieder Wasser hätten. Man will ja da wohnen, wo eine gute Natur ist." Immerhin: Sieben Gewässer der Hönower Weiherkette sind bereits auf der "Blaue Perlen"-Liste für die kommenden Jahre.
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