Wohnungspolitik in Berlin - Vereinbarung des Wohnungsbündnisses unterzeichnet - aber nicht von allen
Sechs Monate haben Politik, Immobilienwirtschaft und Mieterorganisationen über schnelleres Bauen und günstigeres Wohnen verhandelt. Eine Vereinbarung über die Ergebnisse ist unterschrieben. Aber was bringt das?
Das Land Berlin und die Wohnungswirtschaft haben sich auf gemeinsame Ziele beim Wohnungsbau und Mieterschutz verständigt. Die gemeinsame Vereinbarung des Wohnungsbündnisses unterzeichneten allerdings nicht alle teilnehmenden Verbände und Unternehmen.
Sie freue sich über eine beachtliche Zahl an Erstunterzeichnern, erklärte die Berliner Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) bei der Unterzeichnung der Bündnisvereinbarung im Roten Rathaus am Montag. Dazu gehören unter anderem der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der Bauindustrieverband und auch die Industrie- und Handelskammer (IHK).
Die Unterzeichnenden haben sich vorgenommen, bis Ende 2026 insgesamt 100.000 weitere Wohnungen zu bauen, davon die Hälfte im unteren und mittleren Preissegment. Dafür sollen Bebauungspläne künftig innerhalb von drei Jahren vorliegen. Zugleich sollen pro Jahr künftig bis zu 5.000 Sozialwohnungen gefördert werden - dafür sind 2022 und 2023 jeweils 740 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen.
Außerdem verpflichten sich die großen privaten Wohnungsunternehmen, bei der Wiedervermietung 30 Prozent der Wohnungen an Mieter mit Anspruch auf einen Wohnungsberechtigungsschein (WBS) zu reservieren. Die Bündnispartner haben sich auch darauf geeinigt, dass es keine Erhöhungen der Nettokaltmiete geben soll, die bei berechtigten Haushalten zu Belastungen von mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens führen würden.
Und die großen privaten Wohnungsunternehmen orientieren sich künftig an der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von elf Prozent in drei Jahren. Das ist im Bund auch geplant, allerdings steht noch nicht sicher fest, wann. Berlin zieht die Regelung gewissermaßen vor.
Mieterverein trägt Vereinbarung nicht mit
Der Berliner Mieterverein trägt die Vereinbarung des Wohnungsbündnisses vom Berliner Senat nicht mit. Zur Begründung sagte der Vereins-Geschäftsführer Reiner Wild dem rbb, dass die Immobilienwirtschaft den Mietern zu wenig entgegengekommen und die Erklärung zu unverbindlich sei. "Hier hätte etwas Substanzielles kommen müssen", betonte Wild. Auch aus Sicht der Initiative "Deutsche Wohnen Co. enteignen" ist das Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen gescheitert. Zudem hat der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) die Vereinbarung nicht mitgetragen.
Grundsätzlich begrüßte Wild, dass laut dem Bündnis Mieterhöhungen künftig auf elf statt wie bisher 15 Prozent begrenzt werden sollen. Allerdings fehlten Instrumente bei Neuvermietungen. "Da werden ganz besonders hohe Mieten verlangt. Oder auch Mieten nach einer Modernisierung: dazu wird gar nichts gesagt", so Wild gegenüber dem rbb. Auch beim Thema Heizkosten habe es kein Entgegenkommen gegeben.
Wild wies die Argumentation des Immobilienkonzerns Vonovia zurück, wonach ein freiwilliger Verzicht auf Mieterhöhungen unter anderem wegen der Inflation und gestiegenen Kosten nicht möglich sei. Das sei "vorgeschoben", so Wild: "Vonovia hat ganz andere Sorgen. Das sind der fallende Aktienkurs und die steigenden Zinsen." Der Mieterverein glaube deshalb nicht, "dass es hier keine Möglichkeiten hätte geben können".
Initiative begrüßt SPD-Antrag für Vergesellschaftung
Die Initiative "Deutsche Wohnen Co. enteignen" erklärte das Bündnis als gescheitert. Das Wohnungsbündnis garantiere nur eins: steigende Mieten und eine Überteuerung der Stadt, kritisierte der Sprecher der Initiative , Kalle Kunkel, am Montag. "Anstatt sich für die Mieterinnen und Mieter dieser Stadt einzusetzen, verhält sich die regierende Bürgermeisterin wie eine Unternehmensberaterin für die Immobilienkonzerne, die unsere Stadt ausbluten."
Die einzige nachhaltige Lösung, die bezahlbare Mieten garantiere, sei die Enteignung der großen Wohnungskonzerne. Die Initiative, die den erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen auf den Weg gebracht hat, begrüßte außerdem eine Entscheidung beim SPD-Landesparteitag am Sonntag.
Giffey kritisiert Teilnehmer, die nicht unterschreiben wollen
Giffey kritisierte indes die Teilnehmer des Bündnisses, die die gemeinsame Erklärung nicht unterschrieben haben. "Nur, weil man nicht alles bekommt, zu sagen, dann machen wir nicht mit, das finde ich schwierig", sagte Giffey am Montag der Deutsche Presse-Agentur. Sie freue sich, dass andere wie etwa das Immobilienunternehmen Vonovia signalisiert haben, mitzumachen. Das sei ein gutes Zeichen. "Am Ende geht es um die Frage: Was hilft den Mieterinnen und Mietern?", so Giffey. "Und zu sagen, das reicht uns nicht, wir sind dann raus, hilft ihnen nicht."
Die Fachgemeinschaft Bau zeigte sich ebenfalls irritiert. "Wir können es nicht nachvollziehen, dass zwei Bündnispartner ein halbes Jahr mit verhandeln und dann auf der Zielgeraden aussteigen", sagte Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft. Die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) ergänzten, dass es Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt nur gebe, "wenn alle Akteure miteinander statt gegeneinander arbeiten". Generell werteten die Verbände die Vereinbarung als positives Signal. "Die Hauptstadt muss attraktiv bleiben, damit Fachkräfte auch in Zukunft in unsere Region kommen ", betonte UVB-Sprecher Carsten Brönstrup.
Das Wohnungsbündnis, zu dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Verbänden gehören, hat seit Januar verhandelt. Das Ziel der verabredeten Maßnahmen ist es, den Wohnungsbau in der Hauptstadt angesichts des Wohnungsmangels deutlich zu beschleunigen und weitere Mietsteigerungen zu bremsen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.06.2022, 11:48 Uhr
Die Kommentarfunktion wurde am 20.06.2022 um 22:23 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.