Klage gescheitert - Berliner Landgericht bestätigt AfD-Ausschluss von Kalbitz
Der Brandenburger Politiker Andreas Kalbitz ist nie rechtskräftig Mitglied der AfD gewesen, hat das Landgericht Berlin am Freitag geurteilt. Kalbitz hatte gegen seinen Rauswurf aus der AfD vor zwei Jahren geklagt. Beendet ist der Rechtsstreit aber nicht.
Der Brandenburger Politiker Andreas Kalbitz ist nicht Mitglied der AfD. Das hat eine Zivilkammer des Landgerichts Berlin am Freitag festgestellt und die Klage des Politikers abgewiesen. Der 49-Jährige sei von vornherein nie wirksam in die Partei eingetreten, erklärte der Vorsitzende Richter.
In seinem Aufnahmeantrag in die Partei vor neun Jahren habe Kalbitz eine frühere Mitgliedschaft bei den Republikanern in den 1990er Jahren nicht angegeben, so das Urteil. Dazu sei er jedoch verpflichtet gewesen. Somit sei die Mitgliedschaft von Anfang an anfechtbar gewesen. Auch die AfD habe sie angefochten: "Es war eine arglistige Täuschung nach bürgerlichem Recht", so der Richter.
Kalbitz-Anwalt kündigt Berufung an
Vor zwei Jahren hatten erst der AfD-Bundesvorstand und dann das Bundesschiedsgericht der Partei Kalbitz hinausgeworfen. Er verlor daraufhin seine Ämter als Brandenburger AfD-Landesvorsitzender und Chef der AfD-Landtagsfraktion. Gegen diese Entscheidungen klagte Kalbitz.
Er scheiterte jedoch mit einem Eilantrag im August 2020 vor dem Landgericht. Auch eine Berufung wurde vom Berliner Kammergericht zurückgewiesen. In einem sogenannten Hauptsacheverfahren ging der juristische Streit nun weiter.
Rechtskräftig wird das Urteil des Berliner Landgerichts vermutlich nicht. Der Anwalt des Politikers kündigte an, erneut Berufung einzulegen und den Instanzenweg weiter beschreiten zu wollen. Der Rechtsstreit wird sich also vermutlich bis ins nächste Jahr hinziehen.
Der Anwalt der AfD, Joachim Steinhöfel, sagte dazu, Kalbitz wolle seiner Einschätzung nach die Rechtskraft des Urteils durch einen Zug durch die Instanzen hinauszögern. Bis dahin hoffe dieser auf eine andere Mehrheit im Bundesvorstand, die ihm eine erneute Aufnahme in die Partei ermöglichen könnte.
Kalbitz bezeichnet Verhandlung als "Farce"
Kalbitz war zu der Verhandlung nicht selbst erschienen, was die Kammer auch nicht angeordnet hatte. In einer Stellungnahme nach dem Urteil gab er sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur gefasst: "Natürlich hätte ich mir eine andere Entscheidung gewünscht, nun bleibt die nächste Runde abzuwarten."
Der 49-Jährige hatte stets betont, dass er um seine Parteimitgliedschaft in der AfD weiter kämpfen wolle. Die gut einstündige Verhandlung vor der 43. Zivilkammer bezeichnete Kalbitz als "Farce". "Das Gericht hat noch nicht einmal den Eindruck erweckt, als wäre es an einer objektiven Sachverhaltsklärung interessiert."
Kalbitz hatte die frühere Mitgliedschaft bei den seinerzeit vom Verfassungsschutz beobachteten Republikanern zugegeben, sagte sein Anwalt Andreas Schoemaker, könne sich aber nicht erinnern, was er in seinem Aufnahmeantrag eingetragen habe. "Herr Kalbitz strebt die Feststellung an, dass er weiterhin Mitglied der AfD ist", so Schoemaker nach dem Urteil.
AfD-Chef Chrupalla: Mitglieder müssen Urteil akzeptieren
AfD-Chef Tino Chrupalla, dem eine ideologische Nähe zu Kalbitz nachgesagt wird, reagierte mit den Worten: "Das Landgericht Berlin hat im Fall Andreas Kalbitz entschieden. Alle Mitglieder müssen dieses Urteil akzeptieren. Aufgabe des Bundesvorstands ist es nun, alle legitimen Strömungen hinter den Zielen unserer Partei zu vereinen."
Steinhöfel stellte nach dem Prozesstermin klar: Wenn sich diese Linie ändern und die AfD entscheiden sollte, Kalbitz zu behalten, werde er sie nicht mehr vertreten. "Dann lege ich das Mandat nieder."
Bessin: Grund für Pateiausschluss vorgeschoben
Nach dem Rauswurf von Kalbitz im Mai 2020 blieb die AfD-Brandenburg knapp zwei Jahre lang ohne Führung. Er ist aber weiterhin Landtagsabgeordneter. Erst im April wählte der Landesverband Birgit Bessin, seine ehemalige Stellvertreterin und Vertraute, an die Spitze.
Bessin verwies am Freitag in einer Stellungnahme darauf, dass Kalbitz bereits im Landtagswahlkampf 2014 und auch danach sehr offen mit seiner Mitgliedschaft bei den Republikanern umgegangen sei. Das habe "bis zum Tag X niemanden weiter interessiert".
"Schlussendlich war dieser Grund meines Erachtens nur vorgeschoben, um im Bundesvorstand einen Kritiker des inzwischen aus der Partei ausgetretenen Jörg Meuthen loszuwerden", wird Bessin zitiert.
Radikal und "Flügel"-Mitglied
Andreas Kalbitz wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und gilt selbst in der AfD als Rechtsaußen. Zusammen mit dem Thüringer Björn Höcke gehört er zu den prominentesten Vertretern des inzwischen offiziell aufgelösten "Flügels".
Die Bundespartei wirft ihm nicht nur die ehemalige Republikaner-Mitgliedschaft vor. Sie geht außerdem davon aus, dass er Mitglied der inzwischen verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend", kurz HDJ, war. In diesem Prozess spielte das keine Rolle. Die Zivilkammer hatte vorab entschieden, dass schon die verschwiegene Republikaner-Mitgliedschaft als Vorwurf ausreicht. Der Verfassungsschutz ist indes weiterhin überzeugt, dass Kalbitz bei der HDJ gewesen ist.
Auch diese Mitgliedschaft hatte Kalbitz in seinem Aufnahmeantrag nicht angegeben. Die AfD habe ihn deshalb angezeigt, erklärt Anwalt Joachim Steinhöfel. Die Staatsanwaltschaft ermittle wegen des Verdachts auf "falsche Erklärung an Eides Statt", so der Anwalt. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das bislang weder bestätigt noch dementiert.
Es droht auch ein finanzielles Desaster
Wie lange der Rechtsstreit noch dauern wird, ist ungewiss. Die Anwälte rechnen nicht damit, dass das Kammergericht noch in diesem Jahr urteilt.
Für die AfD ist der Fall Kalbitz, egal, wie er endet, ein Imageschaden sondergleichen. Immer wieder wird der 49-Jährige mit der Partei in Verbindung gebracht werden, und somit auch mit den Republikanern und anderen rechtsextremen Organisationen. Der Fall konterkariert alle Bemühungen der Partei, sich als "mittig" oder "bürgerlich" darzustellen. Wie ein dunkler Schatten folgt Kalbitz seiner Partei, die ihn zu einem großen Teil nicht mehr will.
Doch sind bisher alle Versuche, die Sache geräuschlos zu bereinigen, gescheitert. In dem laufenden Verfahren hatte das Gericht schon einmal einen Vergleich angeregt: Danach sollte Kalbitz die Partei verlassen, die AfD sollte ihm seine seit 2013 gezahlten Mitgliedsbeiträge erstatten. Der Anwalt der AfD wollte den Vergleich annehmen, Kalbitz' Anwalt aber nicht.
Für den Brandenburger geht es um alles. Der ehemalige Zeitsoldat hatte bereits einmal mit einem kleinen Verlag Schiffbruch erlitten. Ein begonnenes Studium schloss er nicht ab, lebte von der Politik. Sollte Andreas Kalbitz rechtskräftig aus der Partei ausgeschlossen bleiben, so ist nicht nur die politische Karriere beendet. Es droht auch ein finanzielles Desaster. Denn er müsste - wenn die Niederlage rechtskräftig wird - nicht nur den eigenen Anwalt bezahlen, sondern auch den der Gegenseite.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 22.04.2022, 19:30 Uhr