Landesparteitag des Berliner SPD-Nachwuchs - Jusos geben Scholz bei Bundeswehr-Milliarden freie Hand

So 24.04.22 | 09:53 Uhr | Von Jan Menzel
Fahne der Jusos, der Jugendorganisation der SPD (Quelle: imago/Gelhot)
Bild: Quelle: imago/Gelhot

Die gescheiterte deutsche Russland-Politik trifft die SPD ins Mark. Doch auf dem Landesparteitag der Berliner Jusos spielt der Krieg gegen die Ukraine nur eine Nebenrolle. Am Kanzler will sich niemand wirklich abarbeiten, nur an seinem Vor-Vorgänger. Von Jan Menzel

Es ist nicht so, dass die Berliner Jusos sich darum reißen, im Rahmen ihres Landesparteitags über Krieg, Waffenlieferungen und den Bundeskanzler zu sprechen. Die beiden Landesvorsitzenden Peter Maaß und Sinem Tasan-Funke sind gerade erst mit knapp 90 Prozent bzw. fast 98 Prozent in ihren Ämtern bestätigt worden. Trotz dieser Spitzenergebnisse bleibt das Berliner Juso-Spitzenduo in Fragen von Krieg und Frieden in Hab-Acht-Stellung.

"Die letzten Wochen waren für uns auch eine Zeitenwende. Wir sind von den Ereignissen teilweise überrannt worden", sagt der Juso-Vorsitzende Peter Maaß am Samstag. Jetzt wolle man sich aber die Zeit nehmen, alle Folgen und Konsequenzen zu diskutieren. "Wir wollen da mit Außenmaß rangehen", ergänzt die Co-Vorsitzende Sinem Tasan-Funke.

Der Kanzler und Social Media

Der Frage, wie zufrieden sie mit ihrem Kanzler sind, weichen beide eher aus. Tasan-Funke will Olaf Scholz nicht direkt kritisieren. Sie verlangt aber, dass die künftige Außenpolitik in der SPD und mit den beiden Bundesvorsitzenden besprochen werden müsse: "Das sind meine Adressatinnen und Adressaten." Während sich der Parteinachwuchs früher mit sichtbarer Freunde an Altvorderen und gerne auch an Regierungsvertretern öffentlich abgearbeitet hat, herrscht heute eine gewisse Verdruckstheit.

"Schwierig" und "komplex" sind Begriffe, die viele Jusos auf der Delegiertenkonferenz als erste benutzen, wenn es um Antworten auf den Krieg und die Krise der SPD geht. Was die meisten jungen Mitglieder besonders umtreibt, ist, wie der 63-jährige Kanzler seine Politik erklärt. "In Zeiten von Twitter und Social Media muss man einfach anders kommunizieren", findet Philipp Schulz, der es auch in Ordnung fände, zu sagen, wenn man Waffenlieferungen erst noch prüfen müsse. "Aber dann muss man das proaktiv kommunizieren."

Jusos loben grüne Außenministerin

Paula Schmedding vermisst eine Moderation der gesellschaftlichen Debatte durch den Mann im Kanzleramt. Scholz' Sorge, dass die Atommacht Russland in diesem Konflikt zum Äußersten gehen könnte, teilt Schmeddig nur begrenzt: "Da vertraue ich unserer Außenministerin, dass wir davon noch relativ weit entfernt sind". Die Jungsozialistin lobt explizit die Grüne Annalena Baerbock. Auch das sagt einiges über den Seelenzstand vieler Jungsozialisten aus.

Es gibt aber auch Jusos, die Verständnis und sogar Respekt davor haben, wie der Sozialdemokrat Scholz mit der Krise umgeht. "Ich bewundere es gerade im modernen Medienzirkus, dass man sich nicht davon treiben lässt und nicht durch jede Umfrage genötigt sieht, der "Bild"-Zeitung ein Interview zu geben", sagt Samuel Märkt aus Reinickendorf. Aber er und Haluk Öngören wirken in diesen Tagen fast wie Außenseiter, insbesondere wenn Öngören Unbehagen und Zweifel zum Ausdruck bringt, ob ein Krieg mit schweren Waffen eine Lösung bringen kann.

Aufrüstung oder Ausrüstung?

"Die Jusos sind ein anti-militaristischer Verband", markiert der Landesvorsitzende Peter Maaß den einen Pol, während Co-Juso-Chefin Tasan-Funke gleichzeitig betont, dass man einem überfallenen Land wie der Ukraine mit "Härte" helfen müsse. Zum Lackmus-Test zwischen Härte und Antimilitarismus wird für den Parteinachwuchs das vom Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angekündigte 100 Milliarden schwere Sondervermögen für die Bundeswehr.

"Nein zur Aufrüstung!" steht in einem Antrag, in dem es um die Bundeswehr-Milliarden geht. Zuallererst müsse festgelegt werden, wofür das Geld gebraucht werde, fordert Franziska Wessel aus Steglitz-Zehlendorf, die den Antrag geschrieben hat. Sie trägt auf diesem Parteitag einen blauen Pullover und darüber eine gelbe Bluse. Sie kritisiert das "Hauruckverfahren", nennt die Summe von 100 Milliarden Euro aus der Luft gegriffen und fordert, Geld in Ausrüstung aber nicht in Aufrüstung wie zum Beispiel durch bewaffnete Drohnen zu stecken.

Eine Mehrheit gibt es dafür nicht. Stattdessen entscheidet der Parteitag, dass sich eine Arbeitsgruppe mit dem Krieg gegen die Ukraine, der künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur und dem Sondervermögen beschäftigten soll. Ein Bericht soll in einem Jahr abgeliefert und dann diskutiert werden. Dass bis dahin der Bundestag längst über das 100-Milliarden-Vermögen für die Bundeswehr und seine Verwendung entschieden haben wird, ficht die meisten Jusos nicht.

Kein Platz für Schröder

Deutlich eiliger haben es die Berliner Jungsozialisten dagegen mit Altkanzler Gerhard Schröder. Auch wenn andere Parteiverbände schon dessen Parteiausschluss gefordert haben, will der Berliner Nachwuchs ein eigenes Zeichen setzen. Zwei Kleine Wortmeldungen, dann die Abstimmung und schließlich eine satte Mehrheit: Gerhard Schröders Verhalten habe im "Wertekanon" der SPD keinen Platz, beschließt der Parteitag. Ein Parteiausschluss des Altkanzlers solle geprüft werden.

Sendung: Inforadio, 24.04.2022, 8 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

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