Durchsuchung auch in Brandenburg - Bundesweite Razzia bei "Letzte Generation"-Klimaaktivisten

Di 13.12.22 | 20:43 Uhr
Polizisten tragen einen Teilnehmer einer Sitzblockade auf der Prenzlauer Allee von der Strasse. (Quelle: dpa/Carsten Koall)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 13.12.2022 | M. Woller | Bild: dpa/Carsten Koall

In mehreren Bundesländern wurden am Dienstag Wohnungen und andere Rämlichkeiten der "Letzten Generation" durchsucht - nach rbb-Informationen auch in Cottbus. Der Vorwurf lautet "Bildung einer kriminellen Vereinigung".

  • bundesweit Räumlichkeiten der Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" durchsucht, darunter auch ein Objekt in Cottbus
  • laut Staatsanwaltschaft Neuruppin geht es um Übergriffe gegen die PCK-Raffinerie Schwedt (Uckermark), Justizministerin spricht von Bildung einer kriminellen Vereinigung
  • "Letzte Generation" schreibt auf Twitter von "Einschüchterungsversuchen"
  • in Berlin laufen 2.000 Verfahren gegen Klima-Aktivisten
  • etwa 150 Menschen in Berlin solidarisieren sich bei Demo mit Klima-Blockierern

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat am Dienstag deutschlandweit Haushalte der Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" durchsuchen lassen. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft dem rbb am Dienstagvormittag.

Seit 6 Uhr wurden demnach an elf Orten über das Bundesgebiet verteilt Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Neuruppin vollstreckt. Sie richteten sich gegen Mitglieder der Gruppe. Ermittelt werde gegen elf Personen, so die Staatsanwaltschaft.

Laut der "Letzten Generation" hätten fünf ihrer Mitglieder, bei denen die Polizei am Dienstag durchsuchte, schon zuvor in Gefängnissen im sogenannten präventiven Gewahrsam gesessen. Der kann angeordnet werden, um weitere Taten zu verhindern.

Durchsuchung auch in Cottbus

Eine Durchsuchung habe laut Staatsanwaltschaft in Brandenburg stattgefunden - nach rbb-Informationen in Cottbus.

Auch in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wurden Räumlichkeiten durchsucht, wie die "Letzte Generation" mitteilte.

Übergriffe gegen PCK-Raffinerie Schwedt im Fokus

Es geht laut Staatsanwaltschaft Neuruppin vor allem um Übergriffe gegen die PCK-Raffinerie Schwedt (Uckermark) seit April 2022. Dabei sei unter anderem die Ölzufuhr unterbrochen worden, so die Staatsanwaltschaft. In einigen Fällen sei es beim Versuch geblieben. Neben "Störung öffentlicher Betriebe" werde den Aktivisten der Vorwurf der "Bildung und Unterstützung krimineller Vereinigungen" gemacht.

Der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung könne dadurch gegeben sein, wenn sich Beschuldigte wiederholt zu Straftaten verabredeten, sagte Staatsanwalt Cyrill Klement der Deutschen Presse-Agentur (DPA).

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, am Mittwoch weitere Informationen zu den Hausdurchsuchungen bekannt zu geben.

"Letzte Generation" spricht von "Einschüchterungsversuch"

Da die PCK-Raffinerie in Schwedt in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Neuruppin fällt, werden die Ermittlungen dort geführt.

Die Klima-Aktivisten bestätigten die Durchsuchungen auf ihrem Twitter-Kanal. Dort heißt es, dass seit 5 Uhr morgens elf Hausdurchsuchungen bei ihnen stattgefunden hätten. Dabei seien elektronische Geräte wie Laptops und Handys sowie Plakate konfisziert worden.

Die "Letzte Generation" kündigte via Twitter an, "unverändert" weiter zu machen. Die Gruppe sprach in einem Tweet von einem "Einschüchterungsversuch". "Wir stehen mit Gesicht und Namen für das, was wir tun - wenn der Wunsch nach Informationen besteht, braucht es keine Hausdurchsuchung", erklärte die Gruppe darin.

"Während der Staat durch fehlenden Klimaschutz unser Grundgesetz missachtet, durchsucht die Polizei die Wohnungen jener, die alles friedlich Mögliche versuchen, dies offen zu legen", sagte die Organisation weiter. Die Klimakrise sei die eigentliche Gefahr. Diese bekomme die Regierung nicht in den Griff. "Das ist kriminell", warfen die Aktivisten der Regierung vor.

Solidarisierungen mit "Letzter Generation"

Unterstützung für die "Letzte Generation" kam auch von Klima-Aktivistin Luisa Neubauer, die sich mit der Gruppe und den Betroffenen der Durchsuchungen solidarisierte. Das Vorgehen sei "grenzenlos unverhältnismäßig" und absurd, schrieb die Hauptorganisatorin der "Fridays-for-Future"-Proteste in Deutschland auf Twitter.

Wie sehr die Klimapolitik in Deutschland auf dem Kopf stehe, erfahre man dann, wenn der Kampf gegen Klima-Aktivisten "so dermaßen viel energischer vorangetrieben wird, als der Kampf gegen die Klimakrise", kritisierte Neubauer.

Unterstützung kam bei Twitter auch von weiteren Umweltinitiativen wie Extinction Rebellion und Attac, die die Durchsuchungen verurteilten.

Auch die Klimaliste Berlin erklärte ihre Solidarität für die "Letzte Generation" und verurteilte die Razzien. "Dass Klimaaktivist:innen kriminalisiert werden, macht uns fassungslos. Statt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Klimaschutzgesetzes zu erfüllen, lassen die Politiker:innen unseres Landes Menschen der Letzten Generation mit Präventivhaft und Hausdurchsuchungen drangsalieren", kommentierte Parteisprecherin Denise Ney.

"Überall Polizei - nirgendwo Gerechtigkeit" steht am 13.12.2022 auf dem Banner bei einer Demonstration in Berlin-Kreuzberg (Quelle: dpa/Paul Zinken)Die Demo war bereits am Montag von einer Privatperson unter dem Motto "Gegen Polizeigewalt" angemeldet worden

Am Dienstagabend demonstrierten zudem laut Polizei etwa 150 Personen in Berlin-Kreuzberg gegen Polizeigewalt und die Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der "Letzten Generation". Mit Slogans wie "Überall Polizei. Nirgendwo Gerechtigkeit" oder "Solidarität mit der Letzten Generation" kritisierten die Teilnehmenden das Vorgehen von Sicherheitsbehörden und der Bundesregierung. Laut Polizei verlief die Demonstration friedlich.

Viel Zuspruch aus der Politik für Durchsuchung

"Wo Straftaten begangen werden, müssen diese konsequent verfolgt werden - und zwar unabhängig von der Motivation, die ein Täter damit verbindet", erklärte die Brandenburger Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU). Zu welchen Erkenntnissen die Durchsuchungen führten, bliebe abzuwarten.

"Eine Gruppierung, die gemeinschaftlich darauf ausgerichtet ist, planmäßig Straftaten zu begehen, erfüllt den Tatbestand einer kriminellen Vereinigung, auch wenn die Straftaten einem vermeintlich höherwertigen Ziel dienen sollen", teilte Hoffmann weiter mit.

Der Fraktionschef der CDU im Landtag, Jan Redmann, ergänzte, er habe den Eindruck, dass sich die Bewegung mehr und mehr zu einer kriminellen Vereinigung entwickele, weil sie sich offensichtlich dazu verabrede, systematisch Straftaten zu begehen.

Wo Straftaten begangen werden, müssen diese konsequent verfolgt werden - und zwar unabhängig von der Motivation, die ein Täter damit verbindet.

Susanne Hoffmann (CDU), Brandenburgs Justizministerin

Auch die Brandenburger AfD-Fraktion begrüßte die bundesweite Razzia. Wiederholt habe man ein entschlossenes Vorgehen im Landtag gefordert, teilte die innenpolitische Sprecherin, Lena Kotré, mit. Die Ermittlungen der Neuruppiner Staatsanwaltschaft sei ein richtiger Schritt, ergänzte Michael Hanko, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion in Brandenburg.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke sagte, Straftaten müssten verfolgt und bestraft werden, gerade wenn es um kritische Infrastruktur gehe. Dennoch ließen sich die Aktionen der Klima-Aktivisten nicht etwa mit den Gefahren vergleichen, die von "Reichsbürgern" ausgingen. "Klimakleber sind keine Terroristinnen und Terroristen".

Giffey: 2.000 Verfahren gegen Klima-Aktivisten in Berlin

Die Vereinigung "Letzte Generation" setzt sich seit einiger Zeit mit provokanten Aktionen für mehr Klimaschutz ein, unter anderem mit Blockaden von Straßen und Flughäfen oder auch mit Attacken auf wertvolle Gemälde.

Bislang sind nach Angaben der Berliner Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) 2.000 Verfahren in Bearbeitung und die ersten Geldstrafen wurden verhängt. Mehr als 210.000 Einsatzstunden habe die Polizei in diesem Zusammenhang bereits geleistet, so Giffey weiter.

Berlin habe mit Abstand die größte Herausforderung, mit dieser Situation umzugehen. "Es ist ein großer Aufwand sowohl für die Strafverfolgungsbehörden als auch für die Polizei in der Umsetzung", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag. Justiz- und Innenverwaltung hätten diesbezüglich einen Bericht zur aktuellen Lage erstellt.

Sendung: rbb24, 13.12.2022, 13:00 Uhr

 

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