Debatte um politische Maßnahmen - Wen die hohen Spritpreise hart treffen und wen nicht

Di 15.03.22 | 06:21 Uhr | Von Simon Wenzel
Eine Frau steht mit ihrem Fahrzeug an der Zapfsäule einer Tankstelle (Bild: dpa/Oliver Berg)
Audio: Inforadio | 15.03.2022 | Anna Hanke | Bild: dpa/Oliver Berg

Die ohnehin schon steigenden Spritpreise in Deutschland haben seit Beginn des Krieges in der Ukraine schnell ungeahnte Höhen erklommen. Viele klagen über die Auswirkungen, andere sehen Chancen für die Mobilitätswende. Von Simon Wenzel

In einer Tankstelle im Berliner Westend steht Yevgeny an der Zapfsäule, pumpt Diesel in seinen Wagen. 2,33 Euro pro Liter ist hier gerade der Preis am Montagabend. Als er fertig ist, fragt er: "101 Euro fürs Volltanken meines Kleinwagens – ist das normal?" Für ihn nicht, er ist genervt. Auch Rodrigues an der gegenüberliegenden Säule seufzt: "Zu teuer." Sein großer Wagen bleibt neuerdings öfter stehen.

Maren an Säule drei lacht, als sie gefragt wird, ob sie vollgetankt hat, "natürlich nicht!", sagt sie. Einige von den hier Tankenden brauchen den Wagen beruflich, wie Yevgeny, der Freiberufler. Andere sind wie Maren oder Rodrigues Autofahrer:innen aus Bequemlichkeit – zum Einkaufen, zur Arbeit, zum Sport. Die kommen langsam ins Grübeln. Maren sagt: "Wenn’s noch teurer wird, lasse ich das Auto langsam stehen."

Benzinpreise steigen seit Monaten, jetzt aber steil

Ob's wirklich soweit kommt? Denn zur Wahrheit gehört: Die Benzinpreise sind ohnehin seit einiger Zeit gestiegen, den Satz haben Maren und die anderen also wahrscheinlich schon öfter gesagt. (Auch der Autor dieser Zeilen könnte seine Karre noch öfter stehen lassen, als er es tut). Eine aktuelle Statistik des ADAC weist aus, dass die Preise zwischen Mitte Dezember und Mitte Februar um etwa 15 Cent pro Liter Super und Diesel angestiegen sind. Schon das war ein großes Thema.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Ende Februar hat sich diese Preisentwicklung aber in vorher unvorstellbarem Maße beschleunigt. Von 1,74 Euro pro Liter Super (E10) stiegen die Preise auf inzwischen über 2,30 Euro im Tagesschnitt. Auch Diesel kostet inzwischen über 2,10 Euro pro Liter. Klar, dass das den Menschen an den Zapfsäulen nicht gefällt. Und für einige ist es sogar ein richtig großes Problem.

Unternehmen können die Mehrkosten schon sehr genau beziffern

Michael Mehnal, Geschäftsführer des Berliner Sanitärunternehmens Richard Frantz rechnet vor, wie viel die aktuellen Benzinpreise sein Unternehmen monatlich kosten. Er kommt auf über 700 Euro. Das Unternehmen beschäftigt 18 Angestellte und unterhält 14 Fahrzeuge. In diesem Job ist der Verzicht aufs Auto fast nicht möglich. Werkzeuge, Ersatzteile oder ganze Geräte müssen transportiert werden. 1.500 Euro Benzinkosten fielen da normalerweise pro Monat an. In den vergangenen zwei Wochen seien die Kosten aber um über 40 Prozent gestiegen, erklärt Mehnal.

Seine Kollegen in Brandenburg haben die gleichen Probleme, vielleicht trifft es sie sogar noch etwas härter. Denn während Mehnal in Berlin schon vor Jahren beschlossen hat, nur noch Kunden im Umkreis von maximal acht Kilometern anzufahren, sind die Wege außerhalb der Stadt weiter. Rainer Skaley rechnet beispielsweise für sein Haustechnik-Unternehmen in Babelsberg von ähnlicher Größe mit rund 1.500 Euro Mehrkosten pro Monat. Einen Ausweg gibt es nicht: "Wir haben ja keine andere Möglichkeit, wir müssen erstmal so weiter machen", sagt Skaley. Er wäre deshalb "froh über jede Möglichkeit", die der Staat ihm und anderen bieten würde. Am liebsten wären ihm persönlich Steuersenkungen, aber Hauptsache es passiert überhaupt etwas.

Welche Hilfen muss es geben und für wen?

Hilfe scheint zu nahen: Die Politik beteuert, eilig an Lösungen zu arbeiten. Schließlich ist nicht erst seit dem kontroversen PR-Stunt eines Saarländischen Politikers im Wahlkampf klar: Mit Spritpreis-Lösungen lässt sich in Deutschland punkten.

Vize-Bundesregierungssprecher Wolfgang Büchner kündigte laut einem Bericht der Tagesschau am Montag an, dass rund um die Kabinettssitzung am Mittwoch Entscheidungen in Bezug auf den Umgang mit den hohen Energiepreisen fallen sollen. Konkrete Vorschläge gibt es auch schon: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schlug am Wochenende laut eines Berichts der Bild-Zeitung einen Tank-Rabatt vor. Andere, wie der ADAC fordern Steuersenkungen, CSU-Politiker Dobrindt eine Spritpreisbremse.

Neben der Frage wie man die Autofahrerinnen und Autofahrer angesichts der steigenden Spritpreise entlasten kann, stellt sich aber auch die Frage, ob man überhaupt alle Gruppen entlasten müsste. Denn nicht für jeden ist das Autofahren eine Notwendigkeit, findet der Naturschutzbund (NABU). In einer Pressemitteilung spricht er sich gegen pauschale Rabatte oder Steuersenkungen für Sprit aus. Davon würden die profitieren, die am wenigsten auf eine Entlastung angewiesen seien, heißt es in der Erklärung. Klingt erstmal nach einer steilen These im Autoland Deutschland, aber das Auto ist eben auch ein Luxus-Verkehrsmittel und deshalb für den NABU nicht pauschal schützenswert.

Studien belegen, dass Menschen mit Geld mehr Sprit verbrauchen

In Bezug auf private Haushalte gibt es für die Stadt Berlin tatsächlich Statistiken, die diesen Schluss unterstützen. Einer Studie [experi-forschung.de] auf Basis von Daten des Landes Berlin und des Statistikamts Berlin-Brandenburg zufolge, haben Menschen in niedriger sozioökonomischer Lage seltener ein Auto (ca. 24 Prozent), als Menschen in hoher sozioökonomischer Lage (44 Prozent).

Auch eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Nabu [nabu.de] kommt zu ähnlichen Ergebnissen und weist noch dazu auf einen Zusammenhang zwischen Kraftstoffverbrauch und Einkommen aus. Vor allem der Dieselverbrauch ist demnach bei höheren Einkommen deutlich höher. Insgesamt verbrauchen Haushalte mit höheren Einkommen auch deutlich mehr Benzin, als solche mit niedrigen Einkommen, heißt es in dem Papier.

Höhere Spritpreise treffen am Ende auch Kunden von Dienstleistungen

Ganz so einfach ist es aber nicht. Eine aktuelle britische Studie [sciencedirekt.com] - deren Inhalt man selbstverständlich nicht eins-zu-eins auf Deutschland übertragen kann - hat errechnet, dass in Großbritannien immerhin neun Prozent der Bevölkerung ein niedriges Einkommen bei gleichzeitig hohen Ausgaben für ihr Auto haben. Einige dieser Menschen geben über 30 Prozent ihres Einkommens dafür aus.

Die Brandenburger Schuldnerberatung "Pro Solvencia" hatte bereits im Januar angesichts steigender Benzinpreise in einem rbb|24-Artikel von ersten Härtefällen berichtet.

Und es gibt ja auch immer noch viele Menschen, die vor allem beruflich nicht ums Auto herumkommen. Sei es wegen der großen Lasten, die sie transportieren, oder weil ihre Pendler-Strecke im Umland eben doch noch nicht ideal ausgebaut ist. Gibt es für sie keine Hilfsangebote, müssen Unternehmen wie die von Michael Mehnal oder Rainer Skaley ihre Preise an ihre Kunden weitergeben.

Smarte politische Lösungen sind gefragt

Das alles zeigt: Die populistische und für viele deutscheste aller Debatten um die steigenden Spritpreise erfordert eine differenzierte und clevere Lösung der Politik.

In einer Stadt wie Berlin gibt es für viele Privatpersonen schon jetzt gute Alternativen: Bus und Bahn, Fahrrad, Carsharing mit E-Autos. Gerade im urbanen Raum könnten die höheren Preise also eine Chance sein, Menschen, die bislang aus Bequemlichkeit viele Strecken mit dem Auto zurückgelegt haben, von der Mobilitätswende zu überzeugen.

Einige können den Benzinpreisen ganz einfach mit der nächsten S-Bahn oder dem Fahrrad entkommen. Die anderen warten auf die Lösung der Politik.

Sendung: Inforadio, 15.03.2022, 6.35 Uhr

Beitrag von Simon Wenzel

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